Oberliga 01

Nach Vorwochen-Schocker: Meiendorf ärgert Cordi – aber Pieper appelliert: „Wir dürfen nicht vergessen, dass da Menschen auf dem Platz stehen“

23. Oktober 2021, 18:19 Uhr

Unüberwindbar: Meiendorf-Kapitän Necati Agdan (li.) behält im Luftduell mit Clifford Aniteye die Hoheit. Foto: noveski.com

Dass der Sport eben nur Sport ist und der Fußball die schönste Nebensache der Welt bleibt, mussten der Meiendorfer SV und Concordia Hamburg am vergangenen Wochenende leidvoll erfahren. Am Samstag sackte MSV-Akteur Ahmed Ak beim 3:2-Sieg über Bramfeld kurz vor Schluss zusammen und musste im Krankenhaus, kurzzeitig sogar auf der Intensivstation, behandelt werden. Am Tag darauf erwischte es Cordis Berkant Aydin, der Sekunden nach seiner Einwechslung im Gastspiel beim USC Paloma (2:2) böse stürzte und ebenfalls notärztlich versorgt werden musste. Der „Sechser“ trug ein „großes Schädeltrauma“ davon – und hatte am Ende sogar noch Glück im Unglück.

Nach seinem schlimmen Kollaps in der Vorwoche war Ahmed Ak (Mi.) bereits als Zuschauer anwesend - und wird hier von Ex-Mitspieler Fatih Umurhan nach dem Spiel geherzt. Foto: noveski.com

Umso bewusster wurde beiden Teams vor Augen geführt, dass es um so viel mehr geht – und der Fußball schnell zur reinen Nebensache werden kann. Nach dem direkten Aufeinandertreffen beider Mannschaften (alle Highlights im LIVE-Ticker) gab Meiendorf-Kapitän Necati Agdan einen Einblick in die Gefühlswelt und machte dabei auch keinen Hehl daraus, dass es „ein absoluter Schreckmoment“ war, als er seinen Teamkameraden Ahmed Ak urplötzlich bewusstlos am Boden liegen sah. Das Positive: Dem Youngster geht es inzwischen deutlich besser. Ak ist nicht nur längst aus dem Krankenhaus raus, sondern weilte auch am Samstagnachmittag unter den Zuschauern an der B75.

"Ich habe Ahmed aus dem Krankenhaus abgeholt und er wollte direkt zum Training"

Voller Einsatz: Necati Agdan (un.) gegen Andy Appiah, der auf dem Kopf des Meiendorf-Kapitäns Platz nimmt. Foto: noveski.com

„Ahmed ist ein guter Junge und ein sehr besonderer Mensch – auch für mich“, so Agdan, der anfügte: „Ich habe ihn am Dienstag aus dem Krankenhaus abgeholt und er wollte direkt mit zum Training kommen. Das zeigt, wie positiv verrückt er ist. Er wollte die Jungs einfach sehen, weil er ja auch mitbekommen hat, wie sehr wir uns alle große Sorgen um ihn gemacht haben.“ Eine immens schwere Situation für die gesamte Mannschaft, so der Captain. Denn: „Wir konnten den letzten Sieg nicht feiern und am Montag im Training herrschte auch eine eher bedrückte Stimmung, weil man mit den Gedanken bei Ahmed war. Aber der Junge ist gekommen, hat uns aufgemuntert und gesagt, dass alles gut und er bald schon wieder dabei ist. Umso schöner war es, ihn heute zu sehen“, strahlte Agdan, der unmittelbar nach Schlusspfiff auf den 20-Jährigen zulief, ihn in den Arm schloss und ihm ins Ohr jubelte: „Das war für dich!“

"Wir haben 90 Minuten auf dem tiefen Boden geackert und sind gelaufen"

Marc Bölter (li.) mit dem Versuch, Arnold Hoeling den Ball vom Fuß zu stibitzen. Foto: noveski.com

Gemeint war damit ein unheimlich leidenschaftlicher Auftritt der Meiendorfer, die dem großen Favoriten das Leben unglaublich schwer machten – und sich am Ende einen Punkt erkämpften. „Ich bin heiser und auch etwas sprachlos“, hauchte ein während des Spiels lautstark und bärenstark agierender Agdan ins Mikrofon. „Wir haben in den letzten Wochen mit dem neuen Trainer und dem neuen Athletiktrainer, der uns wirklich hart rangenommen hat, wirklich gut gearbeitet. Das hat man heute gesehen. Wir haben 90 Minuten auf diesem tiefen Boden geackert und sind gelaufen. Ich bin einfach nur stolz auf meine Mannschaft, dass wir das 90 Minuten durchgehalten haben“, strahlte Agdan, für den es auch ein Wiedersehen mit seinem Ex-Club war. „Es war mal wichtig, aus diesem schwarzen Loch rauszukommen. Dieses Unentschieden ist wie ein Sieg für uns und gibt uns Auftrieb. Darauf können wir aufbauen.“

"Ich hätte jeden verstanden, der nicht in den Zweikampf gehen kann"

Vincent Boock (li.) vergibt eine von mehreren Cordi-Chancen. Foto: noveski.com

Während Cordi einmal mehr leistungsmäßig eine Menge schuldig blieb, trotz einiger Chancen, war Trainer Frank Pieper-von Valtier wichtig, zu betonen: „Wir dürfen alle nicht vergessen, dass da elf Menschen auf dem Platz stehen, die in der letzten Woche etwas erleben mussten, was dazu geführt hat, dass einer von ihnen für drei Tage im Krankenhaus lag. Ich bin froh, dass die Jungs alle so klar, so leistungsbereit und auch in den Zweikämpfen so gut dabei waren. Ich hätte jeden verstanden, der nicht in den Zweikampf gehen kann nach dem Wochenende. Und da ist es eher zweitrangig, ob wir als Gewinner oder Verlierer vom Platz gehen, sondern da geht es jetzt eher darum, wie die Spieler nach der letzten Woche auf den Platz gekommen sind.“ Denn der Schock saß allen Beteiligten in den Knochen. Viele Tränen sind geflossen. Umso mehr war es von Bedeutung, dass man schnell in die Aufarbeitung ging.

"Es war schön, zusammen und füreinander da zu sein"

Verzweiflung bei Boock (li.) und Sulejmani (Mi.) - während Sulejman Hoxha an jenem Nachmittag nicht zu bezwingen war. Foto: noveski.com

„Wir haben gleich am Sonntag nochmal mit allen gesprochen und klargemacht, dass jeder mit so einer Situation anders umgeht und die Spieler im Austausch mit uns sagen, was sie für diese Woche brauchen. Deswegen sind wir auch zurecht mit bestimmten Aktionen, die wir gut gemacht haben, zufrieden, weil wir sehen, dass die Jungs das gut verarbeitet haben.“ Einige Spieler seien am Montag zu Hause geblieben, so Pieper-von Valtier, im Training wurden derweil keine Zweikämpfe geführt. „Es war schön, zusammen und füreinander da zu sein. Einige haben gesprochen, andere haben es mit sich ausgemacht. Jeder handhabt so etwas für sich ganz anders und individuell.“ Aber: „Jeder war mit ‚Berki‘ im Austausch. Da hat man gemerkt, was für ein toller Zusammenhalt in der Truppe herrscht.“

Zum Spiel: „Die Bedingungen waren für beide Mannschaften nicht optimal. Das war uns aber auch schon vorher klar, dass man keinen fußballerischen Leckerbissen erwarten kann“, sprach der Cordi-Coach auf den wahnsinnig tiefen und kaum bespielbaren Boden an. „Unterm Strich muss man sagen, dass wir aus dem Spiel heraus so gut wie gar nichts zugelassen und selbst mehr als genug glasklare Torchancen rausgespielt haben, um das Spiel zu gewinnen.“ Letztendlich blieb es aber bei einer Nullnummer. Eigentlich zu wenig für die Ansprüche der Concorden.

"Es gibt Entwicklungs- und Meisterschaftsspiele"

Ein unzufriedener Frank Pieper-von Valtier (li.) gibt am Seitenrand taktische Anweisungen. Foto: noveski.com

„Wir haben gewisse Prinzipien, an denen wir festhalten. Und jedes Spiel ist wichtig, aber wir haben die Spiele kategorisiert. Es gibt Entwicklungs- und Meisterschaftsspiele, weil die Konstellation nun mal so ist, dass die Punkte, die wir hier holen oder auch nicht, höchstwahrscheinlich nicht mit in die Aufstiegsrunde genommen werden. Deshalb gucken wir genau auf die Umsetzung unserer Prinzipien“, erklärte Baris Saglam, der mit Cordi an die ehemalige und langjährige Wirkungsstätte zurückkehrte. „Und das, was wir unter der Woche verschärft und explizit trainiert haben, haben die Jungs heute umgesetzt“, sprach er unter anderem auf das Rausspielen von Torchancen über den Flügel an. „Solche Spiele gehören dazu. Aber wir sind weiter guter Dinge“, wolle man sich nicht entmutigen lassen. Vielmehr habe man das, was man gegen BU (0:1) nicht gut gemacht habe, nun besser umgesetzt. Allerdings war auch ein tief stehender MSV nicht zu knacken.

"Es war von der Orientierung her etwas ungewöhnlich"

Necati Agdan (li.) gibt Mitspieler Josiah Basoah ein lieb gemeintes Küsschen nach Abpfiff. Foto: noveski.com

Letzteres führte dazu, dass einige alt-eingesessene Concordia-Anhänger nach dem Abpfiff am Spielfeldrand unkten: „Ich glaube, mit dem Aufstieg wird das nichts.“ Oder auch: „Das neue Ziel sollte sein, aufzupassen, nicht in der Abstiegsrunde zu landen“, konnten die Fans dem Auftritt nur wenig Positives abgewinnen. Und wie war es für Saglam selbst, an den Ort alter Erfolge zurückzukehren? „Es war genau so ein wichtiges Spiel wie jedes andere“, verspürte er kein besonderes Gefühl, gestand aber auch: „Vor dem ersten Spiel war das Kribbeln vorhanden. Heute war es nur von der Orientierung her etwas ungewöhnlich“, musste er mit seinem neuen Team sowohl in die Gäste-Kabine als auch die andere Bank einnehmen. „Ansonsten war es gut, wie die uns empfangen haben.“ Und das Wichtigste: Alle sind gesund geblieben! 

Autor: Dennis Kormanjos