Oberliga

Osdorf geht „All in“ und kommt mit wenig raus: „Uns laufen die Spiele davon!“

03. Dezember 2022, 00:04 Uhr

Georg Demircan am Boden. Ein Bild, das ein bisschen sinnbildlich für die aktuelle Situation beim TuS Osdorf steht. Foto: KBS-Picture.de

Etwas mehr als eine halbe Stunde war am Blomkamp gespielt (alle Highlights im LIVE-Ticker), als Torben Krause an der Seitenlinie erstmals lautstark aus der Haut fuhr: „Das ist hier Abstiegskampf! Gegenhalten jetzt“, forderte der Co-Trainer des TuS Osdorf, der seinen Gelb-Rot-gesperrten Cousin Bennet Krause auf dem Trainerstuhl vertrat. In genau jener Phase des Spiels war das Oberliga-Schlusslicht mit dem torlosen Unentschieden bestens bedient - trotz dreier Abseitstore. Sowohl Flemming Lüneburg (31.) als auch Fabian Knottnerus (32.) konnten das Runde jeweils völlig freistehend nicht im Eckigen unterbringen. Zudem landete ein Distanzschuss von Lennart Dora an der Unterkante der Latte (37.). 

Torben Krause übernahm am Freitagabend die Verantwortung für seinen gesperrten Cousin Bennet, der das Spiel hinter der Bank verfolgte. Foto: KBS-Picture.de

Der TuS bettelte förmlich um ein Gegentor - und wurde wenige Augenblicke später auch folgerichtig bestraft. Nach einem Einwurf (!), den die Hausherren rund um den eigenen Sechzehner nicht geklärt bekamen, senkte sich der folgende entscheidend abgefälschte 22-Meter-Schuss von Chris Heuermann in die Osdorfer Maschen - 0:1 (38.)! Doch damit nicht genug. Seine Elf hatte gerade erst den Ausgleich erzielt, da schlug es erneut im Gehäuse von Tjark Grundmann ein - diesmal nach einem Einwurf von Lüneburg, den Dora am ersten Pfosten unbedrängt einköpfte (59.)!

Ein haarsträubendes Defensivverhalten, das nicht nur in der Oberliga bestraft wird. Der Mann, der die Krone richtete und seine Mannen in der Folge nach vorne trieb: Der 19-jährige und gerade erst aus der eigenen „Zweiten“ hochgezogene Felix Woldt. „Osdorf, wir kämpfen uns nochmal zurück!“, pushte und motivierte der Youngster seine erfahreneren Vorderleute.

"Es kommen genau zwei Bälle vor den Fuß und genau zweimal ist der drin"

Youngster Felix Woldt (Mi.) - hier im Kopfballduell mit Fabian Knottnerus (2. v. re.) - ging als junger Spieler auf dem Platz verbal voran. Foto: KBS-Picture.de

Dass es am Ende immerhin oder doch nur zu einem Punktgewinn reichte, lag daran, dass die Unioner zwei lange und eher ungefährlich anmutende Bälle nicht verteidigen konnten. Oder wie es Tornesch-Trainer Thorben Reibe hinterher ziemlich treffend auf den Punkt brachte: „Dass du die nicht alle verteidigt kriegst, ist klar. Was halt ärgerlich ist: Dass denen der Ball zweimal vor die Füße fällt und zweimal reingeht. Es war ja nicht so, dass da vier oder fünf Abschlüsse und zwei davon drin waren, sondern es kommen genau zwei Bälle vor den Fuß und genau zweimal wird der Ball so getroffen, dass er irgendwie reingeht. Das ist schon sehr ärgerlich. Aber am meisten ärgert mich, dass wir nicht das 3:1 gemacht haben!“

Die Chancen dazu waren da. Stattdessen war zunächst Liga-Rückkehrer Jan Collet nach einem langen Freistoß von Mehmet Eren (52.) und dann Neu-Stürmer Christopher Grünewald zur Stelle (88.). Beide Male aus nahezu identischer Position vom linken Strafraumeck und beide Male jeweils nachdem die Gäste das Spielgerät nicht aus der Gefahrenzone befördert bekamen. Auch deshalb und aufgrund des Chancenwuchers beklagte Reibe „definitv zwei Punktverluste. Wir müssen einfach das dritte Tor machen! Ich weiß gar nicht, wie oft wir Überzahl oder Gleichzahl hatten“, trauerte er den vergebenen Konterchancen nach.

"Vielleicht hätte man etwas offensiver spielen müssen"

Chris Heuermann (re.) bejubelt seinen Führungstreffer mit Jung-Keeper Adrian Weiß, der zweimal machtlos war. Foto: KBS-Picture.de

Aber auch sein Gegenüber, der die 95 Minuten hinter der Bank verfolgte, zeigte sich im Anschluss „ziemlich enttäuscht“, wie er gestand. „Nicht von der Mannschaft, weil man ja schon über Wochen merkt, dass sie einfach mega verunsichert ist und nach einem Negativ-Erlebnis erstmal einen Moment braucht, um das wegzustecken. Ich bin einfach deshalb enttäuscht, weil ich letzte Woche gegen Altona ein gutes Spiel gesehen habe - sowohl emotional als auch von der Einstellung. Wir wollten genau da anknüpfen und haben deshalb von der taktischen Ausrichtung nicht viel geändert. Aber im Nachhinein hätte man heute vielleicht sogar etwas offensiver spielen müssen.“

Eine offene und ehrliche Einschätzung. Wenngleich Bennet Krause postwendend anfügte: „Die Mannschaft hat uns auch Signale gesendet, dass sich eine gewisse Kontinuität finden muss, ein festes System und feste Abläufe einspielen müssen. Und ich glaube auch, dass das am Ende nicht ausschlaggebend war. Wir sind einfach nicht richtig reingekommen, waren immer einen Schritt zu spät, haben die Tiefe nicht gesichert - irgendwie war das ganze Feuer nicht so richtig drin.“ Tornesch hätte zur Halbzeit „schon deutlicher führen müssen“, gab Krause unumwunden zu. „Wir machen zwar drei Abseitstore, aber wir lassen auch einfach zu viele Großchancen zu. Ich habe das Gefühl: Gegen uns ist es momentan immer relativ einfach, sich Chancen zu kreieren. Und wir müssen um jeden Ball kämpfen. Das zehrt natürlich irgendwo.“

"Irgendwie mal einen positiven Moment mitnehmen"

Georg Demircan (li.) im Kampf um den Ball mit Adrian Ghadimi. Am Ende endete nicht nur das Duell mit einem Remis. Foto: KBS-Picture.de

Positiv sei aber, „dass wir wieder zurückgekommen und zumindest nicht mit einer Niederlage aus dem letzten Heimspiel gegangen sind“, so der langjährige Kapitän der Osdorfer, der aber auch genau weiß: „Uns laufen einfach die Spiele und die Zeit davon.“ So auch nach dem späten 2:2-Ausgleichstreffer. „Die Devise war klar: Wir gehen ‚All in‘! Wir brauchen einfach Punkte“, ist die Lage nach dem Remis gegen einen Konkurrenten nicht gerade besser geworden. Im Gegenteil. Der Rückstand auf Tornesch beträgt weiter acht Punkte. „Wir müssen jetzt gut trainieren, gegen Hamm was reißen - und irgendwie mal so einen positiven Moment mitnehmen.“

Einen positiven Moment, den Krause dann wieder auf der Trainerbank erleben will und nicht in „extremer Zurückhaltung“, wie am Freitagabend. „Wir wussten, dass wir heute vielleicht so ein bisschen unter Beobachtung stehen werden“, nahm der neue Chefcoach die Gelb-Rote Karte in der Vorwoche beim Spiel gegen den AFC „stellvertretend für die ganze Bank“ entgegen. Jener Feuer, was man trotz der an Tragik kaum zu überbietenden Pleite gegen Altona 93 (3:4) wieder entfachte, fehlte an diesem Abend...

Autor: Dennis Kormanjos