Oberliga

Süderelbe baut sich in der "Karstadt-Laderampe" sein Zuhause und presst - doch Flick gibt dem Spiel den Rest!

27. September 2020, 19:57 Uhr

Unbändige Freude bei Torschütze Chris Flick (3. v. re.) in der Nachspielzeit nach seinem Treffer zum 1:1. Foto: noveski.com

Der inzwischen 41-jährige Kepper Sousa da Silva machte den Anfang (2.). Ihm folgten Rouven Treu (28., 31.) und Daniel Thompson (37.): Vier Chancen – und das waren nur die absoluten Hochkaräter des FC Süderelbe in der ersten Spielhälfte. Der BU-Bezwinger ließ dem HEBC in den ersten 45 Minuten überhaupt keine Luft zum Atmen (alle Highlights im LIVE-Ticker). Den Gästen schien die frühe Anreise scheinbar gar nichts auszumachen. Auch nicht die Tatsache, dass sich die Mannschaft aufgrund der strengen Hygienevorschriften nicht am Platz, sondern vor dem Karstadt in Eimsbüttel traf und in der Tiergarage umzog. „Bei Karstadt in der Laderampe haben wir unser kleines Zuhause aufgebaut“, witzelte FCS-Coach Stefan Arlt nach der Partie.

Die Süderelbe-Führung: Razak Bandi (re.) kommt vor Chris Flick an den Ball und trifft zum 1:0 für die Gäste. Foto: noveski.com

Als der eingewechselte Razak Bandi zehn Minuten vor Schluss eine punktgenaue Hereingabe von Andreas Metzler mit dem Hinterkopf verlängerte und sah, wie die Bogenlampe hinter dem verdutzt drein blickenden Patrick Meins einschlug, kannte der Jubel beim FC Süderelbe keine Grenzen mehr – während HEBC-Kapitän Chris Flick von einem „unglücklichen Gegentreffer“ sprach. Der Verteidiger war es nämlich, der sich mit Bandi in jener Szene duellierte. „Ich weiß gar nicht, ob ich oder er mit dem Rücken dran war“, rätselte Flick hinterher – und tauchte in der Nachspielzeit in einer Region auf, die nicht unbedingt seine ist. „Ich weiß gar nicht, warum ich da vorne war“, scherzte er – nachdem ein Einwurf mit irgendeinem Körperteil von Janek Wrede verlängert wurde und Flick vor die Füße fiel. „Ich habe mich da einfach durchgemogelt, dann stand ich da und schieße den souverän in die Mitte.“ Oder anders gesagt: Am lange beschäftigungslosen Fabian Preisler vorbei ins HEBC-Glück (90. +2)!

"Süderelbe war mega giftig und unangenehm"

Tjorven Köhler (li.) erwies seinem Team mit zwei Undiszipliniertheiten einen späten Bärendienst. Foto: noveski.com

Zu jenem Zeitpunkt standen die Hausherren nur noch mit zehn Mann auf dem Platz am Reinmüller. Denn Tjorven Köhler dürfte die Mannschaftskasse ordentlich füllen – nachdem er wegen Meckerns (51.) und einer Unsportlichkeit die Ampelkarte kassierte (88.). Und so dürfte das Remis für den Aufsteiger durchaus als gewonnener Punkt gedeutet werden. Denn vor allem im ersten Spielabschnitt presste der FCS den HEBC quasi zu. „Ein bisschen ist gut. Süderelbe war mega giftig und total unangenehm zu spielen. Die sind sofort komplett drauf gegangen. Das haben sie gut gemacht und wir haben wenig Antworten darauf gefunden“, musste auch Flick eingestehen.

"Das haben wir absolut mangelhaft gemacht"

Doch Süderelbe-Trainer Arlt sah das ganz anders: „Insgesamt fand ich uns heute nicht so gut“, ehe er anfügte: „Erstmal fand ich den Spielaufbau von HEBC – insbesondere in der zweiten Halbzeit – überragend und wie sie das gelöst haben. Das war das Bemerkenswerteste heute.“ Zwar hätte seine Truppe in der ersten Halbzeit „in Führung gehen müssen“, aber in punkto „Durchschlagskraft und Eins-gegen-Eins-Situationen können die Jungs das besser“, so Arlt, der auch mit dem Pressing, das die Kocadal-Kicker teilweise zur Verzweiflung trieb, nicht zufrieden war: „Wer richtig hingeguckt hat, hat gesehen, dass wir immer mindestens einen Meter zu spät waren – gerade auf den Seiten. Das macht sich immer ganz deutlich daran bemerkbar, wie viele Freistöße und Ecken man gegen sich bekommt. Das ist immer ein Zeichen dafür, dass du hinterher läufst. Das haben wir absolut mangelhaft gemacht.“

"Man hat gesehen, dass HEBC weiß, wie man das umspielt"

Zunge raus, Ball drin: Chris Flick (li.) trifft zum späten Ausgleich für den HEBC. Foto: noveski.com

Ein sehr kritisches Urteil vom neuen Süderelbe-Dompteur, der die Erkenntnis fasste: „Man hat gesehen, dass HEBC weiß, wie man das umspielt. Die Leute wissen, was sie tun.“ Und weiter: „Wer ein bisschen was von Fußball versteht, hat gesehen, dass wir einen Tick zu spät waren und HEBC einen Plan dagegen hatte.“ Mit dem Punkt sei er aber alles in allem „zufrieden“, bilanzierte Arlt, der die äußeren Umstände und Vorbereitung auf die Partie nicht als Entschuldigung geltend machen wollte: „Ich habe meinen Jungs gesagt: Wer die Kabinen hier kennt, der weiß, dass alles draußen besser ist, als sich da drin umzuziehen. Es hat mehr geholfen, als dass es geschadet hat.“

"So wie der Modus momentan ist, ist es vermutlich als Testspiel abzuhaken"

Nach dem späten Punch brachen beim HEBC alle Dämme. Foto: noveski.com

Sein Gegenüber befand derweil, „dass die erste Halbzeit von uns spielerisch nicht so gut war. Wir haben es versucht und hatten einen Plan, haben den Spielern auch Optionen mit auf den Weg gegeben, wie wir das lösen. Aber eigentlich können wir von Glück reden, dass wir zur Halbzeit nicht hinten liegen“, gestand Özden Kocadal, der ansonsten eine „sehr fahrige erste Hälfte von beiden Seiten mit vielen Phantasie-Pässen und wenig Spielkultur“ gesehen hat. Nach der Pause sei man aber besser in die Begegnung gekommen, habe „das Pressing von Süderelbe gut ausgehebelt und was ich herausheben möchte, dass wir sehr mutig waren und viel dagegen investiert haben. Denn es ist immer auch ein Risiko, es spielerisch lösen zu wollen. Aber wir haben es teilweise auch geschafft, flach rauszuspielen – leider immer nur bis zu einer bestimmten Zone. Da war dann auch bei uns Schluss.“ 


Er habe das Gefühl, so Kocadal, dass seine Mannen „denken und denken – aber in dieser Liga haben wir im Vergleich zum letzten Jahr viel weniger Zeit zu denken. Wir müssen viel schneller Entschlüsse fassen und zielstrebiger werden.“ Nichtsdestotrotz hätten seine Lila-Weißen nach dem späten Rückstand in Unterzahl ein „grandioses Comeback“ gefeiert. „Mir egal, wie das Tor fällt. Dafür muss man sich nicht schämen.“ Abschließend traf Kocadal den Nagel auf dem Kopf: „Im Endeffekt ist es vielleicht für beide Mannschaften zu wenig. Aber so wie der Modus momentan ist, ist es vermutlich leider auch als Testspiel abzuhaken…“

Autor: Dennis Kormanjos