„Unglücklich, doof, sch....“: AFC nur mit Remis gegen Türkiye

Nachholspiel zwischen Altona und den Wilhelmsburgern endet 1:1

04. Mai 2017, 22:47 Uhr

Türkiyes Medeni Kaya (li.) bejubelt seinen Treffer zum 1:0 für die Gäste. Foto: Heiden

Altona 93 hat es verpasst, sich noch vor dem 32. Spieltag der Oberliga wieder enger an den Tabellenführer TuS Dassendorf heranzuschieben. Im Nachholspiel des 31. Spieltags gegen den FC Türkiye kamen die Mannen von Berkan Algan vor 388 Zuschauern nicht über ein 1:1 hinaus. Damit trennen den AFC und die TuS im Klassement drei Zähler. Für AFC-Coach Algan genügend Anlass, den „Wendelweglern“ zu bescheinigen, dass „sie das wuppen werden“, während bei den Gästen ein Akteur groß aufspielte, der eigentlich gar nicht hätte mitwirken können, am Ende den Ausgleich aber auch nicht verhindern konnte...

Braima Balde war fest entschlossen, zu gehen. Der an den Folgen eines Kreuzbandrisses laborierende AFC-Offensivspieler hatte sich schon von seinen ebenfalls auf der Tribüne sitzenden verletzten Teamkollegen wie Dennis Thiessen (muskuläre Probleme) und Clifford Anitye (Bänderriss im Knöchel) verabschiedet und einige Stufen auf dem Weg Richtung Spielfeld zurückgelegt. Doch dann überlegte es sich der 21-Jährige noch einmal anders. Es lief in diesem Moment die 73. Minute des Spiels und Pablo Kunter brachte eine Ecke für Altona 93 in den Strafraum des FC Türkiye. Jan Novotny köpfte die Kugel Richtung Tor, wo sie an Gästeakteur Bilyal Mustafov abprallte und von da über die Linie ging. Der Jubel im Regen auf dem Feld war groß – und bei Balde auf der trockenen Tribüne fast noch größer.

Novotny egalisiert Türkiyes Führungstreffer durch Kaya

Der Treffer von Jan Novotny (re.) bescherte dem AFC immerhin noch einen Zähler. Foto: Heiden

Hatte er schon zuvor enorm mitgefiebert, so hielt es Balde nun gar nicht mehr auf dem Sitz. Euphorisiert feierte er den Ausgleichstreffer, den sein Mitspieler da gerade auf dem grünen Rasen erzielt hatte und trieb sein Team fortan noch eine Spur energischer, impulsiver und lautstärker an. Ohne Erfolg allerdings. Zwar hatte der AFC in der Schlussminute noch die große Gelegenheit, durch den eingewechselten Kemo Kranich das 2:1 zu erzielen, doch in der Szene, als der Altonaer aus 13 Metern abzog, reagierte Türkiye-Torwart Tobias Braun prächtig und hielt seiner Mannschaft so den Punkt fest. Sehr zum Leidwesen Baldes, der trotz seines früher geplanten Abgangs tatsächlich bis zum Schluss durchhielt. Und natürlich auch zum Leidwesen von Berkan Algan.

„Das war unglücklich, doof und scheiße. Wir hätten das Spiel gewinnen müssen, aber wir machen die Dinger nicht“, beschied der Coach der Gastgeber, der auf Seiten seiner Equipe „sieben sehr gute Möglichkeiten, von denen zwei wirklich hundertprozentige Chancen waren“ gesehen hatte, „aber wir haben den Ball einfach nicht über die Linie gekriegt. Bei der Gelegenheit von Ricardo muss das Ding rein.“ Jene Einschussmöglichkeit, die Algan meinte, datierte aus der 68. Minute: Nick Brisevac hatte aufs Tor geschossen, Braun konnte die hoppelnde Kugel nicht unter Kontrolle bringen und Ricardo Balzis schob aus halbrechter Position unbedrängt am langen Eck vorbei. Doch auch Türkiye hatte seine Chancen. „Die haben wahnsinnig starke Einzelspieler: Sascha de la Cuesta, Mekan und Devran Barlak oder Serhat Yapici. Das sind Traum-Fußballer. Wenn so eine Mannschaft befreit aufspielen kann, ist das höllisch gefährlich , lobte selbst Algan.

Algan: „Dassendorf ist durch, die werden das wuppen“

Laufduell mit vollem Einsatz zwischen Altonas Eliezer Correia Ca (li.) und Türkiyes Joel Weiß. Foto: Heiden

Das Tor aber traf der Gast aus Wilhelmsburg nur einmal: Michael Löws Schlenzer an den linken Pfosten (87.) und de la Cuestas Schuss (65, drüber) waren nicht von Erfolg gekrönt, dafür aber Medeni Kayas Versuch in der 59. Minute. De la Cuesta schickte seinen Teammkollegen von der Mittellinie steil, AFC-Keeper Joshua du Preez eilte aus seinem Tor, um Schlimmeres zu verhindern, doch Kaya legte den Ball mit links an ihm vorbei und schob mit rechts ein. Novotny konnte auf der Linie nicht mehr retten. „Der Ball kommt hinter die Abwehr, Josh kommt raus und hat Glück, dass er ihn nicht trifft, sonst fliegt er runter“, fasste Berkan Algan den Moment des 0:1-Rückstands aus Altonaer Sicht zusammen und ergänzte auf Nachfrage: „Josh darf in dieser Situation nicht rauskommen. Aber das sind Mechanismen. Er und Bojan (gemeint ist der zweite Torhüter Bojan Antunovic, Anm. d. Red.) haben keine Spielpraxis. Bojan hat sich mit seiner Roten Karte gegen Condor rausgebeamt. Wenn jetzt Josh geflogen wäre, wäre Bojan wieder drin gewesen.“

Die Situation, wegen der verletzungsbedingten Pause von Stammkeeper Tobias Grubba auf du Preez und Antunovic setzen zu müssen, sei „für einen Trainer nicht dankbar. Aber Josh darf da hinten alles machen. Er kann sich sogar einen Cappucino ins Tor bestellen. Er und Bojan haben völlige Narrenfreiheit“, sagte Algan, der trotz des anfänglichen Unmuts über das Remis positive Worte fand: „Wir müssen im Moment viele Ausfälle kompensieren und viel improvisieren. Da stehen einige 19- oder 20-Jährige auf dem Platz. Die haben teilweise kaum gespielt. Aber: Wir sind zuhause weiterhin ungeschlagen – zum Glück.“ Vor der Saison, so der Coach weiter, „haben einige gemeint, wir werden Zehnter. Unser Ziel war Platz fünf, jetzt sind wir Zweiter. Ich hoffe, wir können diesen Rang festigen.“ Spitzenreiter Dassendorf aber, da ist sich Algan sicher, wird auch am Ende oben stehen: „Die sind so gut wie durch. Dassendorf wird das wuppen.“ Eine interessante Ansage, wo den AFC von der TuS doch gerade einmal drei Zähler voneinander trennen.

Angeschlagener Yapici: „Ich opfere mich gerne, weil ich die Jungs mag“

Bei den Gästen bot Serhat Yapici (re., hier gegen Philipp Körner) eine starke Leistung, obwohl er eigentlich gar nicht spielen sollte. Foto: Heiden

Dafür, dass es nach diesem Nachholspiel auch weiter mehr Punkte hätten sein können, hätte vor allem im ersten Durchgang auf dem Rasen der Adolf-Jäger-Kampfbahn Serhat Yapici sorgen können. Türkiyes Nummer 18 suchte vor dem Seitenwechsel alleine gefühlt mehr als doppelt so oft wie der AFC – der allerdings durch Kunter nach 15 Minuten die größte Gelegenheit hatte, die Braun jedoch sensationell zunichte machte – den Abschluss. Dabei hätte Yapici gar nicht spielen sollen. „Ich hab ihm eigentlich verboten, aufzulaufen“, gestand Türkiyes Manager Klaus Klock auf der Tribüne. Der Hintergrund: Yapici laboriert momentan an einer Schambeinentzündung. „Wir wollen unsere Angeschlagenen soweit schonen, dass sie alle gesund im Sommer in die Vorbereitung starten können“, so Klock.

Yapici aber hielt sich nicht an die Vorgabe. „Wir hatten zu wenige Spieler. Da opfert man sich doch gerne, weil man die Jungs mag. Es war wegen der Schmerzen anstrengend, aber es hat Spaß gemacht“, so der 28-Jährige, der plant, auch in den verbleibenden Partien „gegen Wedel, Vicky und Dassendorf durchzuziehen. Wir wollen Dassendorf ja noch die Meisterschaft versauen.“ Gegen den AFC, so Yapici, „haben wir – wie in jedem Spiel  – Gas gegeben. Wir haben unser Ziel erreicht und die 40-Punkte-MArke geknackt. Alles darüber hinaus ist ein Bonus. Wir gehen jedes Spiel wie ein Endspiel an, das wir gewinnen wollen. Wir waren heiß, die jungen Spieler waren noch mal besonders motiviert. Gegen den AFC zu spielen, ist für die immer toll.“ Gilt auch für Yapici („Ich wollte eigentlich aufhören, spiele jetzt aber noch eine Saison weiter“), der in der Halbzeitpause Smalltalk mit AFC-Coach Algan betrieb. „Wir kennen uns von früher, haben bei St. Pauli gemeinsam in der Oberliga gekickt. Wir haben uns gern und quatschen ab und zu“, erklärte Yapici und fügte eilig hinzu: „Das waren aber keine Vertragsgespräche!“

Jan Knötzsch