Oberliga

Wedel-Wahnsinn ärgert Großkopfs Gemüt: „Wenn wir so weiterspielen, werden wir absteigen“

HEBC verspielt im Abstiegsduell eine 2:0-Führung und verliert 2:4

10. März 2019, 19:10 Uhr

Die Sekunden nach dem 4:2: Die Wedeler feiern Torschütze Jaques Rodrigues de Oliveira (Nummer 20). Foto: Both

Auf einmal war er weg. Schiedsrichter Stephan Timm hatte vor ein paar Augenblicken das Spiel zwischen dem HEBC und dem Wedeler TSV (Hier gibts's den Liveticker der Partie zum Nachlesen) abgepfiffen, da stapfte Jörn Großkopf los. Der Coach der Gastgeber wollte weg. Einfach nur weg vom Ort des Geschehens. Und so passierte es dann auch: Während der eine oder andere HEBC-Spieler noch auf dem Rasen stand und fassungslos war, hatte sich der Coach längst in seine Trainerkabine zurückgezogen. Mächtig angesäuert von dem, was seine Mannen da soeben abgeleistet hatten: Sie hatten eine 2:0-Führung im Duell mit einem direkten Mitkonkurrenten im Abstiegskampf leichtfertig hergeschenkt und am Ende verloren. Und das wurmte Großkopf.

„Für die zweite Halbzeit habe ich keine Worte. Es war alles vorgegeben, es war alles besprochen. Die Jungs haben gedacht: Es geht alles von alleine. Es gibt eine einzige Umstellung bei Wedel – und so ziemlich unser ganzes System bricht zusammen. Unsere linke Seite hat defensiv nicht mehr stattgefunden. Selbst wenn man eine Flanke rein bekommt: Warum steht dann da ein Mann frei? Ich habe keine Erklärung dafür. Und auch kein Verständnis“, platzte es aus dem Ex-Profi heraus. Und es brodelte weiter: „Wenn wir so weiterspielen, werden wir absteigen. Wir sind zwar noch vier Punkte vom ersten Abstiegsplatz entfernt, aber ich begreife nicht, wie meine Mannschaft einen Gegner, der schon tot ist, so aufbauen kann. Wenn man 2:0 führt und weiß, was auf einen zukommt, dann darf man sich nicht so naiv anstellen. Das ist nicht entschuldbar“, legte Großkopf nach. Worte wie Donnerhall. Das wusste auch der HEBC-Coach: „Mehr will ich nicht sagen, sonst wird es für die Mannschaft unangenehm.“

Großkopf: „Jeder Einzelne bei uns muss sich selbst hinterfragen, ob das reicht“

Die Grätsche ausgepackt: Felix Hackstein (am Boden) gegen Wedels Luis Diaz Alvarez. Foto: KBS-Picture.de

Ein bisschen Analyse aber betrieb der Übungsleiter der Eimsbütteler dann doch noch – und bleib weiter deutlich „Natürlich hat Wedel auch Mentalität gezeigt, das war bereits in der ersten Hälfte so. Du spielst hier vor ein paar Wochen mit einer immensen Leistung und einem großen Kraftakt 4:4 gegen BU. Ich muss dann wohl doch feststellen, dass der eine oder andere Spieler, der heute gefehlt hat, anscheinend nicht zu ersetzen ist“, nahm der 52-Jährige kein Blatt vor den Mund und konterte die Frage, ob seine Schützlinge etwa nur gegen „große“ Gegner wie eben den HSV Barmbek-Uhlenhorst oder den FC Teutonia 05, gegen die der Punkte-Ertrag besser als gegen Wedel war, bis an die Grenzen ihrer Leistungsfähigkeit und darüber hinaus gehen würden: „Es gibt nur 100 Prozent. Wir haben diesmal ja auch in der ersten Halbzeit gezeigt, wie man gegen Wedel spielen muss. Aber wenn ich in der zweiten Hälfte weniger mache, dann verliere ich eben gegen die. Und das ist einfach zu wenig. Jeder Einzelne bei uns muss sich selbst hinterfragen, ob das reicht.“

Dabei hatte das Match für Großkopf und seine Equipe doch so verheißungsvoll begonnen: Erst nutze Maximilian Priebe ein Zuspiel von Janosch Rinckens zum 1:0 (24.) und dann erhöhten die Hausherren durch ein Slapstick-Tor auf 2:0: Piet Oldag „kloppte“ die Kugel aus dem eigenen Sttafraum nach vorne. Ein Befreiungsschlag, wie man ihn hunderte Male sieht, nur: Dieser wurde lang und länger, Wedels Keeper André Alves Lopes verschätzte sich, Rinckens stieg gegen den „Goalie“ hoch und schwupps lag das Leder in den Maschen (33.). Eigentlich schien damit alles klar. Eigentlich. Denn dann nahm der „Eimsbütteler Einbruch“ seinen Lauf: Rechtsflanke Maximilian Walter, Kopfball Tim Vollmer – nur noch 2:1 (52.). Eine Hereingabe von Jannick Wilckens von rechts, wieder ein Kopfball des „blanken“ Vollmer – 2:2. (61.) Exakt diese beiden Szenen meinte Großkopf in seinem Verbal-Ausbruch, als er nach dem Grund fragte, warum dort ein Wedeler völlig frei stand.

Ivanko: „Ich habe meinen Spielern in der Pause gesagt: Wir machen eins – und zwei, drei hinterher“

Artistisch: Maximilan Priebe (re.) probiert's gegen Keeper André Alves Lopes (li.) und Jannick Wilckens per Fallrückzieher. Foto: KBS-Picture.de

Seine Mannschaft wird ihm dies vermutlich unter der Woche erklären müssen. Ebenso wie das Foul an Daniel Diaz Alvarez, das Referee Timm mit einem Elfmeter ahndete. Kjell Ellerbrock behielt gegen HEBC-„Fänger“ Tino Nennhaus die Nerven und traf – 3:2 für die Gäste, die damit in der 66. Minute auf einmal das Spiel gedreht hatten. Und für den Gastgeber sollte es noch schlimmer kommen: Nach Erciyes Palos Ballverlust legte Marlo Steinecke von links genau im richtigen Moment quer ins Zentrum, wo Jaques Rodrigues de Oliveira nur noch zum 4:2 einschieben musste (77.). Die „Festung“ Reinmüller-Platz war gefallen – und Andelko Ivanko nach dem Spiel bestens gelaunt: „Ich kann mich nur von Woche zu Woche wiederholen: Die Mannschaft hat Charakter und Mentalität. Wenn man sieht was für ein Pech wir hatten, ist der Sieg noch mehr wert: In der Nacht haben sich Sascha Richert, Marcus Richter, Daniel Diaz Alvarez und Nikolaj Rörström krank angemeldet Andrew Banoub, den wir eingewechselt haben, hat wegen einer Schulterverletzung kaum trainiert“, erklärte Wedels, der mit seinem Team in den letzten drei Spielen sieben Punkte holte und nun bis auf einen Zähler an den SC Condor und derer fünf an den HEBC herangerückt ist.

„Wir sind dran und haben auch noch das Nachholspiel gegen Rugenbergen in der Hinterhand. Das sind die Endspiele, wo wir es selbst in der Hand haben. Man sollte uns nicht so leicht abschreiben. Die Jungs lassen sich nicht unterkriegen. Sensationell“, jubelte Ivanko und erklärte: „Ich hab' den Jungs gesagt: Ich will nicht der Typ sein, der von oben alles vorgibt, sondern gebe es in eure Hände. Ich rede viel mit den Spielern, Tim Vollmer ist mein verlängerter Arm, er hat einen unbändigen Willen. Man muss sich immer die richtigen Leute aussuchen, die man anspricht und denen man Verantwortung gibt. Ich kann nicht spielen, nur von draußen helfen. Man braucht die Richtigen, die die Idee umsetzen können.“ Zum Abschluss gestand Ivanko, dass er trotz des 0:2-Rückstandes an den „Dreier“ geglaubt hatte: „Ich habe meinen Spielern in der Halbzeit gesagt: Wir machen eins und dann zwei, drei hinterher und gewinnen das Ding. Ich hab gesehen, dass sie dran geglaubt haben und dass wir fußballerisch überlegen waren.“ Sprach's und verschwand Richtung Kabine – allerdings mit einer ganz anderen Gemütslage als Jörn Großkopf...

Jan Knötzsch