Landesliga Hansa

Braesen: „Das wäre das i-Tüpfelchen und das bestmögliche Ende meiner Laufbahn“

17. Mai 2024, 10:00 Uhr

Am vergangenen Samstag durfte Marco Braesen das vermutlich letzte Mal für die Liga-Mannschaft des FC Voran Ohe vor heimischer Kulisse auflaufen. Foto: Ptjtluckys_pictures

„120 Spiele hat Marco bisher für den FC Voran Ohe absolviert. Mit unzähligen Toren und Vorlagen hat sich der pfeilschnelle Angreifer in die Geschichtsbücher des Vereins eingetragen. Sieben Jahre lang trägt ‚Braese‘ nun schon das weiße Trikot unserer Lieblinge. Im schnelllebigen Fußball ist das eine wirklich lange Zeit. Bedenkt man dabei, dass Marcos Zeit erst mit 31 Jahren bei uns begann, ist es umso erstaunlicher, dass er trotzdem so einen enormen Einfluss auf die Entwicklung unserer Mannschaft genommen hat“, knallten im Sommer 2017 nicht nur die Korken der Oher Kaderplaner, sondern auch die Achillessehne von Marco Braesen. „Eine schwere Verletzung – vor allem in dem Alter.“

Aber mit nunmehr 38 Lenzen „kann er sicher darüber lachen und auf eine tolle Zeit zurückblicken, in der Voran Ohe für ihn eine zweite Heimat geworden ist. In all den Jahren haben wir nicht nur Marco, sondern auch seine Familie ins Herz geschlossen, die bei Wind und Wetter kein Spiel von Sohn, Bruder oder Vater verpasst hat. Mit dem heutigen Spiel endet nun zumindest offiziell seine Zeit im Ligateam. Aber ist das das Ende seiner aktiven Laufbahn? Auf keinen Fall! Marco ist fitter als so mancher 20-Jährige, wechselt vereinsintern in die Zweite Herren und wird dort seine Erfahrung und seine überragende Einstellung zum Amateursport an die jüngeren Spieler weitergeben. Das Gleiche gilt im Übrigen auch für unsere 2014er Jugend-Mannschaft, in der Sohn Luca spielt, die er als Cheftrainer betreut“, huldigten die Verantwortlichen des FC Voran Ohe ihren Offensivakteur vor dem abschließenden Saisonspiel gegen den Rahlstedter SC (0:1). Für Braesen wurde es der letzte Tanz!

Er sei nicht nur „ein absolutes Vorbild“, sondern verkörperte in seinen 20 Herrenjahren all das, was einen vereinstreuen Amateurfußballer und Menschen ausmacht: „Wenn jemand fragt, wer verinnerlicht hat, worum es in Ohe beim Fußball geht, dann ist Marco unter Garantie einer der Erstgenannten! Leidenschaft, Einsatz, Kameradschaft – dazu immer geradeheraus und ehrlich“, schätzten die Offiziellen sämtliche Attribute an Braesen. Vor dem Relegations-Hinspiel am Pfingstmontag (17 Uhr) gegen Eintracht Norderstedt II haben wir mit ihm gesprochen…

FussiFreunde: Kannst du dich an dein erstes Spiel im Herrenbereich erinnern – und wenn ja, was kommt dir da als erstes in den Kopf?

Seine Oher verabschiedeten Braesen nach sieben Jahren im Verein vor über 300 Zuschauern gebührend. Und äußerst emotional wurde es auch noch. Foto: Ptjtluckys_pictures

Marco Braesen: „23.05.2004 – Letzter Spieltag der Saison 2003/04 in der Kreisliga 04. Ich durfte das erste Mal bei der Liga von meinem Stammverein SC Hamm 02, wo ich die komplette Jugendabteilung durchlaufen habe und 16 Jahre aktiv war, mit zu einem Spiel und auch gleich von Beginn an starten. Was mir dabei als erstes in den Kopf kommt, ist, dass ich gleich im ersten Spiel doppelt getroffen habe. Für uns ging es damals um nichts mehr. Aber Kosova war im Fernduell mit HT 16 punktgleich ins Spiel gestartet, musste aber eine Differenz von acht Toren aufholen, wenn HT gleichzeitig gewinnt, um die Saison auf Platz zwei zu beenden, was die Teilnahme an der Relegation zum Aufstieg bedeutet hätte. Es war ein heißer Sommertag und wir gingen sang- und klanglos mit 0:4 in die Pause.“

Ein denkbar ungünstiger Start bei einem Debüt…

In der 81. Spielminute bekam Braesen unter stehenden Ovationen seinen verdienten Abgang. Foto: Ptjtluckys_pictures

Braesen: „Danach haben wir uns aber nochmal zusammengerissen und eine Aufholjagd gestartet, sind Tor um Tor herangezogen und Kosova hat selbst beim Stand von 3:4 kurz vor Schluss, wo eigentlich klar war, dass sie die Tordifferenz nicht mehr aufholen werden, alles nach vorne geschmissen und wir machen in der Nachspielzeit den Ausgleich zum 4:4. Das Ende vom Lied: HT spielte auch nur unentschieden und Kosova hätte ein einfacher Sieg gereicht, um Zweiter zu werden.“

Wenn du auf deine lange Laufbahn zurückblickst: Welche drei Momente bleiben dir besonders positiv in Erinnerung?

Braesen: „Es gab bisher einige schöne Momente in meiner Karriere. Die Landesliga-Meisterschaft 2009 mit Oststeinbek, das Pokal-Halbfinale 2010 bei Vicky, die Bezirksliga-Meisterschaft 2013 mit dem MSV Hamburg, der Torschützenkönig-Titel der Landesliga Hansa 2011, die Zehn-Spiele-Siegesserie mit dem FC Voran Ohe in der Saison 18/19 oder auch die Vize-Meisterschaft in der Landesliga Hansa im Jahr 2008 mit dem OSV und jetzt mit Ohe.“

Könntest du bei all den Errungenschaften und Erinnerungen einen „schönsten Moment“ rauspicken?

Die Mannschaft des FCVO bildete ein Spalier für Braesen, der seine Emotionen nach 20 Herren- und sieben Jahren in Ohe kaum zurückhalten konnte. Foto: Ptjtluckys_pictures

Braesen: „Als schönste Momente würde ich dabei die Meisterschaft mit dem OSV und dazu die Siegesserie sowie die Vize-Meisterschaft mit Ohe nennen. Ich habe den Jungs vor dem Hamm-Spiel eine lange WhatsApp-Nachricht geschickt, wie besonders solche Momente im Fußballerleben sind und dass selbst ich in 20 Jahren keine Handvoll dieser Erlebnisse bekommen habe. Vom Gefühl her, ist diese Vize-Meisterschaft mit der Meisterschaft beim OSV mindestens gleichzusetzen. Allerdings ist es hier in Ohe noch viel familiärer und enger – und deshalb besonders hervorzuheben. Wenn wir, vor allem die Jungs, nun noch die Relegation erfolgreich bestreiten können und der Aufstieg realisiert wird, dann wäre es das i-Tüpfelchen und das bestmögliche Ende meiner Laufbahn. Es wäre der größte Moment.“

Und welche Momente sind dir in all den Jahren in eher negativer Erinnerung geblieben?

Braesen schritt unter tosendem Jubel und Beifall durch das Spalier. Foto: Ptjtluckys_pictures

Braesen: „Natürlich meine erste schwere Verletzung vor knapp sieben Jahren. Was einem in solch einem Moment durch den Kopf geht, ist unglaublich – und ich wünsche es niemanden. Es war ein harter Kampf, aber ich bin unglaublich schnell nach knapp sechs Monaten wieder zurück gewesen. Ich habe damals mit mindestens einem Jahr Pause gerechnet. Als Zweites: Die Degradierung von Jörg Geffert bei Lohbrügge, wodurch ich dann einen Wechsel zum MSV Hamburg angestrebt habe. Durch die Degradierung habe ich ein Spiel in der Zweiten gespielt und prompt gegen Ohe getroffen. Als letzten Punkt würde ich vielleicht die Entlassung von Sven Schneppel nennen. Im Nachhinein ist man immer schlauer und ich habe mich dafür auch damals bei Sven Schneppel persönlich entschuldigt. Hier habe ich leider auch persönlich falsche Entscheidungen getroffen. Im Nachgang hätte ich dies gerne rückgängig gemacht.“

Du hast die schlimme Verletzung schon angesprochen. Als du mit 31 Jahren und einem Achillessehnenriss nach Ohe gewechselt bist, hättest du damals in deinen kühnsten Träumen gedacht, auch mit 38 Jahren noch für die Liga-Mannschaft zu spielen?

Braesen: „Solange ich regelmäßig gespielt habe, habe ich mich eigentlich nicht mit einem Abschied beschäftigt. Ich habe mir auch nie ein Ziel gesetzt, bis zu welchem Alter ich gerne auf hohem Niveau spielen möchte. Ich fühle mich auch heute noch fit, aber man merkt natürlich auch, dass der Körper irgendwann anfängt, nachzulassen und man mehr und mehr Wehwehchen hat. Deshalb kamen die Gedanken so langsam in den letzten anderthalb Jahren. In dem Moment, in den Wochen und Monaten nach der Achillessehnenverletzung habe ich mir nur darüber einen Kopf gemacht, schnell zurückzukommen, wie es danach dann wohl ist und wie es sich anfühlt, endlich wieder auf dem Platz zu stehen. Und es ist eben auch die Mannschaft in Ohe, der Verein und die Zuschauer, die mich so lange getragen haben. Es ist einfach unglaublich, das Trikot mit dem Wappen so lange tragen zu dürfen. Voran Ohe ist für mich mein neues Zuhause geworden.“

Was würde dir persönlich ein Aufstieg in die Oberliga zum Abschied bedeuten?

Für Braesen war es ein ganz besonders emotionaler Nachmittag am Amselstieg. Foto: Ptjtluckys_pictures

Braesen: „Es wäre das absolute Highlight, sich mit dem Aufstieg zu verabschieden. Auch wenn ich in dieser Saison persönlich keinen so großen Beitrag auf dem Platz leisten konnte, habe ich den Jungs gesagt, dass es am Ende egal ist, ob Meister oder Vize-Meister. Die Gefühlslage ist im Moment völlig gleich, aber mit Ohe irgendwie nochmal bedeutsamer, weil mir der Verein und die Mannschaft mittlerweile sehr viel bedeuten. Es wäre für mich, aber auch gerade für die jüngeren Jungs ein absolut besonderer Moment, wenn wir den Aufstieg realisieren könnten.“

Wie schwer ist dir denn generell die Entscheidung gefallen, aufzuhören – und wie geht‘s für dich weiter? Eventuell sogar als Cheftrainer?

Braesen: „Die Entscheidung insgesamt fiel mir schon sehr schwer. Ich spiele seit Februar 1991 ununterbrochen im Verein Fußball, meine Eltern und meine Schwester haben ebenfalls Fußball gespielt – ich komme also aus einer Fußballerfamilie. Und auch aus der Mannschaft kam immer wieder Bewunderung, dass ich in dem Alter immer noch extrem fit und schnell bin. Natürlich habe ich nicht mehr den Speed, den ich vor rund 20 Jahren hatte, aber dennoch war es immer wieder schön, das zu hören und die Anerkennung auch von den Jungs zu erhalten. Nichtsdestotrotz muss man sich einfach überlegen, wann der richtige Moment gekommen ist, und irgendwann verpasst man ihn eventuell auch. Solange ich noch einigermaßen fit bin, möchte ich auch noch auf dem Platz stehen und meine Erfahrung weitergeben, deshalb nun der Schritt zur Zweiten. Ich habe in dieser Saison schon einige Spiele bestritten und hier kann ich auf dem Platz noch helfen. Zudem ist hier im Verein auch Riesenpotenzial, um mit der Zweiten oben mitzuspielen.“

Am vergangenen Wochenende hast du deinen vermutlich letzten Landesliga-Einsatz absolviert, bist von Mannschaft, Verantwortlichen und Fans frenetisch gefeiert worden. Wie war’s für dich?

Braesen: „Unglaublich emotional! Ich bin den Jungs unendlich dankbar, dass sie dieses Spiel mit dem Sieg gegen Hamm ermöglicht haben. Ich stand quasi die ganze Woche im Fokus – ein unbeschreibliches Gefühl, diese Anerkennung von der Mannschaft und vom gesamten Verein erfahren zu haben. Ich habe letztens schon zu Daniel Walek gesagt: Wenn man nun auf die Karriere zurückblickt und die Frage käme, was man vielleicht anders gemacht hätte, dann wäre ich deutlich früher zum FCVO gewechselt, weil ich genau das bekommen habe, was ich am Fußball so wundervoll finde – eine FAMILIE! Dieser Verein ist mittlerweile strukturell top aufgestellt und es ist immer noch kein Ende in Sicht. Immer mehr Leute kommen dazu und unterstützen, wo sie können. Das ist einfach top und habe ich so in keinem Verein erlebt.“

Zurück zu deiner Zukunft – sowohl fußballerisch als auch Trainer-technisch…

Ein womöglich letztes Mal schnupperte Braesen (li.) mit 38 Lenzen Landesliga-Luft. Foto: Ptjtluckys_pictures

Braesen: „Weiter geht es nun spielerisch in der Zweiten. Ich werde aber weiter regelmäßig bei der Liga mittrainieren, möchte hier meine Erfahrung weitergeben, den Jungs auf dem Platz helfen und natürlich auch weiterhin Spaß haben. Den hat man hier definitiv. Und Cheftrainer bin ich ja schon seit fünf Jahren bei meiner E-Jugend (lacht). Auch hier macht es riesigen Spaß. Wir haben eine tolle Mannschaft und fast noch wichtiger, auch eine Riesen-Elterngemeinschaft, welche sich toll organisiert und mir die Arbeit mit den Kids sehr erleichtert. Vielleicht kommt auch im Herrenbereich noch etwas dazu. Hier laufen aktuell noch Gespräche.“

Autor: Dennis Kormanjos