Derouiches Dersim-Debüt: Reinkommen, treffen, siegen

Joker-Tor beschert den Gästen (vorerst) drei Punkte beim VfL Lohbrügge

10. März 2018, 19:21 Uhr

Beifall für den Siegtreffer: Dersimspors Lamin Jawla, der sich nach dem Spiel einen Disput mit Teamkollege Rafat Waseq leistete. Archivfoto: noveski.com

Fikret Tirpanci schien die Geschichte schon lange vor dem Anpfiff zu ahnen. „Achte mal auf unseren Neuen mit der Nummer 21“, sagte der Betreuer von Hansa-Landesligist Dersimspor da. Lange Zeit später, nach dem Abpfiff des Auswärtsspiels beim VfL Lohbrügge sah sich Tirpanci bestätigt. „Na, hab' ich doch gesagt“, grinste er und hielt dann den Mann an, den er meinte an. „Hier, Karim, zieh dir die Jacke über“, kümmerte sich Tirpanci um Karim Derouiche. Und der hatte zuvor tatsächlich die Geschichte des Spiels geschrieben. Eine Geschichte, von denen die Presse immer so gerne sagt: so kann sie nur der Fußball schreiben!

„Der ist uns irgendwie im Winter zugelaufen. Wo er zuletzt war, weiß ich gar nicht so richtig“, konstatierte Dersims Trainer Sven Siebert mit Blick auf die Begegnung und den Matchwinner. Doch auch hier konnte Fikret Tirpanci Abhilfe schaffen: „Er hat eineinhalb Jahre nicht gespielt, weil er verletzt war. Vorher war er in der B-Jugend beim HSV. Und jetzt trainiert er seit fünf Wochen bei uns mit.“ Fünf Wochen, die offenbar reichten, um schon mal eine gute Verbindung zum Team zu finden. Fünf Wochen, um zu wissen, wie der Hase läuft – und das im wörtlichen Sinne. Denn: Nachdem Umut Yildiz in der 78. Minute den Ball fast vom eigenen Strafraum nach vorn schlug, lief der eingewechselte Derouiche genau richtig. Im Kopfballduell setzte er sich gegen Lohbrügges Hamza Erkan durch und überwand dann Björn Garvs zum 1:0 – der Führungs- und letztlich der Siegtreffer für Dersim.

Siebert: „Wir müssen überglücklich sein, gewonnen zu haben“

Den Hausherren schmeckte das wenig. Erkan beschwerte sich direkt nach dem Gegentreffer ebenso wie seine Mitspieler lautstark bei Schiedsrichter Stephan Timm (SC Egenbüttel). Und auch Mato Mitrovic stieß nach der Partie ins gleiche Horn. „Der Schiri pfeift ein klares Foul nicht. Jeder hat gesehen, dass der Gegenspieler Hamza mit beiden Händen wegschubst. Es ist schade, dass der Schiri einen so großen Beitrag am Ergebnis trägt. Er hatte alles im Griff und macht dann in der zweiten Hälfte solche Fehler. Auch der Linienrichter hat nicht eingegriffen, obwohl er das Foul gesehen hat. Dafür ist er doch da: um zu sagen, wenn er ein Foul sieht“, ärgerte sich der VfL-Coach. Sicher: Derouiche ging mit dem Körper ins Kopfballduell, dennoch war es mehr ein „Kann“ als ein „Muss“, auf Foul zu entscheiden. Trotz der Niederlage hatte Lohbrügges Coach aber auch ein Lob für seine Mannschaft übrig. „Die Jungs haben Moral gezeigt und sich nicht aufgegeben. Der Ball wollte einfach nicht rein. Am Ende ist es schade, dass wir ohne Punkt dastehen, dabei sind wir spielerisch gut gestartet“, erklärte Mitrovic.

Mitrovic: „Der Schiri pfeift ein ganz klares Foul nicht“

Lohbrügges Coach Mato MItrovic ärgerte sich über die Schiri-Leistung in der zweiten Hälfte. Foto: Mathias Merk

Und damit hatte der Übungsleiter der Gäste vollkommen Recht. Nicht Dersimspor (Coach Sven Siebert: „Wir hatten zwar 75 Prozent Ballbesitz, aber die dicken Chancen hat Lohbrügge“), sondern der VfL war lange Zeit dem ersten Treffer näher. Duro Arlovic traf sowohl in der ersten Hälfte (9.) nach einem Zuspiel von Pascal Bäker als auch im zweiten Durchgang im Anschluss an Bäkers Kopfball den Pfosten (58.). Zudem verpasste Agit Aydin nach einem feinen Pass von Bäker freistehend, mit seinem Lupfer über Dersim-Keeper Maximilian Hentrich hinweg das Tor zu treffen. „Der Ball wollte einfach nicht rein“, ärgerte sich Mitrovic, dessen Equipe ab der 54. Minute nach der „Ampelkarte“ für Justin Lösche mit einem Mann weniger agierte. „Wir waren die bessere Mannschaft, aber wir machen die Bälle einfach nicht rein. Mit zehn Mann war es nachher schwer“, so Mitrovic, der abschließend feststellte: „Noch peinlicher als der Schiedsrichter war, dass Dersimspor sich nach dem Spiel untereinander fast selbst geschlachtet hat. Das hat mit Sport nichts zu tun.“

Was Mitrovic meinte, war ein lautstarker Disput zwischen Rafat Waseq und Lamin Jawla, die letztlich sogar von ihren Mitspielern von einander getrennt werden mussten. „Wir spielen vorne drei gegen eins wie kleine Mädchen. Keiner traut sich, abzuschließen“, erregte sich Abwehrmann Waseq darüber dass die vordere Dersim-Reihe viel zu oft den Ball leichtfertig vertändelte oder – so hatte man zumindest das Gefühl – ihn in besonders schöner Weise nahezu ins Tor tragen wollte. „Jede C-Jugendmannschaft hätte das 2:0 nachgelegt. Diese arrogante Haltung in der Offensive hat in der Defensive für Unruhe gesorgt. Eigentlich wird so ein Offensiv-Verhalten bestraft“, war auch Dersim-Coach Siebert unzufrieden und bekannte zusammenfassend: „Im Grunde müssen wir überglücklich sein, dass wir gewonnen haben und nicht das 0:1 kassiert haben. Ob wir das dann gedreht hätten, sei mal dahingestellt.“ So aber konnte sich Siebert freuen: „Eine schöne Geschichte. Jetzt geht es weiter nach oben.“

Rot beim Futsal? Lohbrügge will Spielberechtigung von Dersims Demir prüfen

Oder doch nicht? Lohbrügge jedenfalls, so erklärte Coach Mitrovic kurz nach dem Abpfiff, wolle prüfen lassen, ob der bei Dersim eingewechselte Zana Demir überhaupt spielberechtigt war. Nach VfL-Auskunft soll Demir im Futsal die Rote Karte gesehen haben. „Ich weiß nicht mal, dass er Futsal spielt“, konterte Dersimspor-Coach Siebert dies, während für „Hellseher“ Fikret Tirpanci ein ziemlich langer Tag zu Ende ging: Dersim, das seine Heimspiele auf dem Sportplatz der Grundschule Baererstraße in Harburg austrägt, darf – oder besser gesagt: kann, weil die Transponder der Türen umprogrammiert wurden – den dortigen Aufenthaltsraum nicht mehr frei nutzen und betreten. So sagen das die Gebäudemanagement Harburg GmbH (GMH) und die Stadt. Doch dort lagern die Trikots. Also musste Tirpanci frühmorgens stundenlang warten, ehe eine Reinigungskraft den Raum öffnete und er die Jerseys erhielt. „Sonst hätten wir in Trikots von Viktoria Harburg gespielt. Diese ganze Situation kann so nicht sein...“, fluchte Tirpanci. So aber durfte Siegtorschütze Derouiche seine Permiere im „richtigen“ Dress feiern...

Jan Knötzsch 

Mehr zum Thema