Oberliga

Die „Hü-Hott-Truppe“ verteidigt wie „Schuljungs“: „Troche“ sagt's voraus, „Cello“ setzt's um – und am Ende steht's 7:1

07. März 2020, 00:29 Uhr

Siehst du, ich wusste es doch: Piotr Trochowski (li.) sagte Marcell Jansen die Rolle als Matchwinner voraus – und der legte sogar noch einen Treffer mehr drauf, als ihm sein Teamkollege prophezeit hatte. Foto: KBS-Picture.de

Sie hatten es eilig nach dem Spiel, Bloß weg vom Ort des Geschehens. Bloß rein in die Kabine. Nach dem Auswärtsspiel des FC Süderelbe beim Hamburger SV III (Hier gibt’s den Live-Ticker zum Nachlesen) hatte Co-Trainer Jonas Louca, der auf der Bank den krankheitsbedingt fehlenden Timucin Gürsan ersetzte und diesmal der „Chef“ im Ring bei den Kiesbarg-Kickern war, seine Ansprache im Mannschaftskreis noch nicht einmal richtig beendet, als die ersten Spieler schon einen Schritt raus aus der Runde machten und sich anschickten, das Weite zu suchen. Der Stachel auf Seiten der Gäste saß tief. Enorm tief. Sieben Gegentreffer hatte sich der FCS vor den 137 Zuschauern auf dem Kunstrasen der Paul-Hauenschild-Anlage eingefangen – da war es nur logisch, dass die Köpfe nach dem Spiel nach unten gingen. Auf der anderen Seite sah es da mit der Stimmung natürlich ganz anders aus...

Und so konnte sich Christian Rahn ein Lachen und einen Spruch an die Adresse von Marcell Jansen nicht verkneifen. „‚Cello‘ darf gerne mal wieder ein bisschen regelmäßiger zum Training kommen, dann spielt er auch wieder von Anfang an“, sagte der eine Teil des HSV III-Trainer-Duos – und auch sein Kompagnon Marcus Rabenhorst konnte sich in diesem Moment ein Grinsen nicht verkneifen. Fraglos: Auf Seiten des FC Süderelbe dürften sie froh gewesen sein, dass Jansen – bekanntlich ja Präsident des HSV e.V. und als solcher terminlich ausgelastet – in dieser Woche nicht ganz so oft auf dem Traingsplatz stand, als dass ihn Rahn und Rabenhorst über die komplette Distanz ranließen. Doch „Cello“ reichte auch eine Halbzeit, um den Kiesbarg-Kickern zu zeigen, wer an diesem Abend die Musik machen sollte: Gleich drei Mal netzte der Ex-Nationalspieler ein – und strafte damit auch Piotr Trochowski Lügen. Der nämlich hatte sich, so berichtete Rabenhorst nach der Partie, in der Pause noch als Hellseher versucht.

Sobczyk: „Was nach der Halbzeit passiert ist, kann ich mir nicht erklären“

Süderelbes Kapitän Martin Sobczyk fand nach dem Spiel klare Worte. Foto: Bode

„Auf dem Weg zurück von der Kabine zum Platz, hat er gesagt, dass ‚Cello‘ zwei Tore erzielen wird“, verriet „Rabe“ im Anschluss. Nun, ganz richtig lag „Troche“ mit seiner Voraussage nicht, doch sei's drum. Der FCS sah nach dem Seitenwechsel einfach kein Land mehr gegen die Hausherren. Und das, nachdem diese durch einen Treffer von Manuel Brendel zur Pause „nur“ mit 1:0 führten. „Wir haben einen Abstoß, haben Gegenwind, der Ball kommt zu kurz, wird dann reingeschlagen – das kannst du nicht verteidigen. So einen Treffer macht der einmal in drei, vier Jahren – der kann ein bisschen was mit dem Kopf“, konstatierte Martin Sobczyk später nach dem Match mit Blick auf den Treffer, der den FCS in Rückstand brachte, hatte aber ebenso erkannt: „Wir hatten bis zur Pause auch unsere Chancen.“ Aber eben nur bis es zum Halbzeit-Getränk in die Kabinen ging. „Was danach passiert ist, kann ich mir nicht erklären“, gab Süderelbes Kapitän ganz offen zu: „Wir sind eine Mannschaft, die nach vorne spielen will. Aber wir haben gesagt, dass wir kompakt spielen und aus dieser Kompaktheit kommen. Genau so, wie wir in der ersten Halbzeit gekommen sind und unsere Chancen hatten. Aber dann haben wir es leider nicht mehr geschafft, die Abstände hinzukrirgen und die Abschlüsse zu finden. Und in die Konter sind wir so blauäugig gelaufen wie kleine Schlujungs.“

Fürhwahr. Und so hatte der HSV III letztlich leichtes Spiel. Durchgang Nummer zwei war kaum fünf Minuten alt, da brach das Unheil über den FCS hinein. Domink Jordan traf zum 2:0, dann durfte Jansen das Resultat mit zwei Treffern – ein Mal per Nachschuss bei einem Elfmeter, den Jordan zuvor verschoss – auf 4:0 hochschruaben, ehe Vitor Cadilhe Branco der Ehrentreffer gelang. Doch der Torhunger der Herren Jansen und Brendel war noch nicht gestillt. Beide legten jeweils noch ein Mal nach – und dann durfte Jeonghoon Ahn mit einem Distanzschuss, der sich über den zu weit vor seinem Kasten stehenden Süderelbe-Schlussmann Murat Bakir hinweg ins Netz senkte, mit dem sehenswertesten Treffer der Partie den Schlusspunkt setzen. „Das ist sehr bitter für uns. Aber es hilft nichts: Nächste Woche müssen wir wieder ran. Bis dahin müssen wir diese Niederlage aufarbeiten. Damit fängt am besten jeder bei sich selbst an – von der Nummer 1 bis zur Nummer 24 oder 25. Ich als Kapitän allen voran. Wir müssen erörtern, warum das passiert ist“, konstatierte Sobczyk. Entsprechend, so „Sobby“ weiter, „liegt vor uns harte Arbeit. Wir sind ja so eine ‚Hü-Hopp-Truppe‘, bei der nach solchen Spielen dann am Kiesbarg immer ein super Spiel folgt. Aber dafür müssen wir richtig reinhauen.“

Rabenhorst: „Wir sind glücklich, dass die Umstellungen in der zweiten Hälfte direkt gefruchtet haben“

Treffsicher: Manuel Brendel schnürte einen Doppelpack für den HSV III. Foto: Bode

Und glücklich sein, dass der TuS Osdorf am kommenden Freitag keinen Marcell Jansen im Kader hat. „Der weiß einfach, wo er stehen muss. Wir haben in den Kontersituationen nicht so gestanden, wie man in Kontersituationen stehen sollte. Und dann hat er halt auch einen passablen linken Fuß“, sagte Sobczyk und dachte einen Moment lang ans Hinspiel: „Da hat mir ‚Yalle‘ (gemeint ist Keeper Yalcin Ceylani, Anm. d. Red.) noch den Arsch gerettet, nachdem ich im Strafraum den Ball mit der Hand spiele, indem er dann den Elfmeter von Jansen hält. Diesmal konnten wir ihn eben nicht halten. So einen Spieler kannst du nicht 90 Minuten verteidigen“ – und manchmal eben auch keine 45 Zeigerumdrehungen lang, auch wenn Christian Rahn den Ex-Profi gar nicht so hervorheben wollte. „Natürlich freuen wir uns für ‚Cello‘, aber wir freuen uns auch für jeden anderen Torschützen, weil die ganze Mannschaft unter der Woche hart und diszipliniert arbeitet. Wir haben eine hohe Trainingsbeteiligung. Es ist mehr oder minder egal, wen wir aufstellen. Alle geben Vollgas und bringen ihre Leistung. Natürlich ist es aber so, dass mit Jansen und Trochowski nochmal Qualität von der Bank kommt, um die uns andere beneiden.“ Oder wie Rahns Trainerkollege Marcus Rabenhorst es zusammenfasste: „‚Cello‘ hat seine Qualität aufblitzen lassen – vor allem in der Box.“

Der Sieg mit sieben (blitz-)sauberen Streichen sei, so Rahn „auf jeden Fall in der Höhe verdient. Wir hatten ja aus dem Hinspiel noch etwas gutzumachen. Da haben wir 30 Minuten ordentlich gespielt, führen 3:1, gehen mit einem 3:3 in die Halbzeit und verlieren noch 3:4. Das war damals eine völlig unnötige Niederlage. Von daher war es gut, dass wir – auch, wenn die erste Hälfte nicht okay war – diesmal den Hebel in der zweiten Halbzeit umgelegt haben.“ Eine Analyse, der Rabenhorst nur beipflichten konnte: „Die erste Halbzeit war richtig schwach. Nicht nur von uns, sondern insgesamt. Das war keine Werbung für die Oberliga. Wenn ich das mit unseren ersten beiden Pflichtspielen in diesem Jahr vergleiche, war das ein Unterschied wie Tag und Nacht. Es hätte auch 0:1 stehen können oder mit einem 0:0 in die Pause gehen können. Es war keine verdiente Führung, im Gegenteil. Wir waren sowohl mit dem Auftreten überhaupt nicht einverstanden – das haben wir auch direkt mit dem Pausenpfiff angesprochen. Jetzt sind wir natürlich umso glücklicher, dass die Umstellungen in der zweiten Halbzeit direkt gefruchtet haben. Das war ein ganz anderer Auftritt.“ Sprach‘s und verschwand in der warmen Kabine. Marcell Jansen hatte da längst die Rolle des „Jokers“ mit der des „Party-Präsidenten“ getauscht, als die HSV III-Kicker mit ihrem Anhang den „Dreier“ gefeiert hatten. Auch er war anschließend schnell ins Warme abgetaucht – als Matchwinner. So, wie es Piotr Trochowski vorhergesehen hatte...

Jan Knötzsch