40-Meter-Bogenlampe von Nitzsche krönt „unglaubliches“ HSV-Jahr!

BW 96 kommt in der Schlussminute zurück und geht in der Nachspielzeit Ko

11. Dezember 2015, 00:06 Uhr

Das Siegerselfie aus der Kabine! Der HSV III krönt ein famoses Jahr 2015 mit Aufstieg und Platz vier in der Hammonia-Staffel.

Er konnte einem regelrecht leidtun: Routinier Haris Junuzovic war der erste, der unmittelbar nach dem fast schon tragischen „Last-Second-Knockout“ seinen am Boden zerstörten Torhüter Benjamin Ernst aufsuchte und versuchte, mit Worten aufzumuntern. Schließlich schickte Schenefeld-Coach Selcuk Turan all seine Mannen auf die andere Seite des Rasenplatzes am Achter de Weiden, wo sich Ernst hinter seinem Tor grämte und kaum fassen konnte, was wenige Sekunden zuvor passiert war. Der Schlussmann war in der vorgezogenen Partie des 19.Spieltages gegen den Hamburger SV III bis zur 81. Minute nahezu beschäftigungslos, dann agierte er beim Führungstreffer der Gäste zu zögerlich und griff nach dem ganz späten Ausgleich seines Teams in der Nachspielzeit komplett daneben.

Die rund 60 Schaulustigen, die es sich nicht nehmen ließen, bei eisigen Temperaturen herzerwärmenden Amateurfußball zu gucken, wurden bis in die Schlussminuten hinein enttäuscht. Sowohl BW 96 Schenefeld als auch der HSV III schienen mit den Köpfen bereits in der Winterpause oder aber bei der Weihnachtsfeier zu sein, die das Turan-Ensemble tatsächlich am Freitagabend abhält. In den ersten 45 Minuten gab’s bis auf eine Doppelchance von 96-„Captain“ Thies Raschke (3., 11.) absolut nichts Nennenswertes zu verzeichnen. Die wenigen Besucher sehnten den Pausenpfiff herbei, um sich bei einem Glühwein aufzuwärmen. Doch auch hier wurden sie enttäuscht. Dafür hielt das kleine, aber schmucke „Büdchen“ ein heißes Tässchen Kaffee parat.

Auch den beiden Mannschaften schien der Pausentee geschmeckt zu haben, denn plötzlich wurde auch Fußball gespielt. Was für einen Verlauf die Partie genommen hätte, wenn die Fahne von Assistent Benjamin Stello nach Steckels traumhaften Pass in die Gasse auf Emre Yasar unten geblieben wäre, ist nur zu erahnen. Der HSV-Youngster wäre in jedem Fall frei durch gewesen – und das sicher nicht aus Abseitsposition. Yasar startete im Rücken von mindestens drei oder vier Blau-Weiß-Verteidigern. Wie dem auch sei. Schenefeld wurde nun ebenfalls gefälliger und hätte eigentlich in Führung gehen müssen – wenn „Rothosen“-Fänger Heuer seinem Gegenpart Heuermann nicht zur Verzweiflung getrieben hätte. Gleich dreimal fand der Schenefelder innerhalb kürzester Zeit im Gäste-Schlussmann seinen Meister (51., 54., 59.)! Fortan nahm der Schwung wieder ab – und alles lief auf eine Nullnummer hinaus. Doch dann…

ERine Schlussphase, die für vieles entschädigt

Der Wind nahm zu und damit auch durchaus Einfluss aufs Spiel. Mäkelmanns diagonale Freistoßflanke von Höhe der Mittellinie segelte auf den langen Pfosten, wo Ernst zu zögerlich aus seinem Kasten kam und ausgerechnet Nikola Zeba dem Ball den nötigen Drall zu Führung verpasste – 1:0 HSV (81.)! Ob mit dem Oberschenkel, dem Kopf oder womit auch immer: Dem Karch-Ensemble war’s herzlich egal und Innenverteidiger Zeba erzielte bereits seinen sage und schreibe zehnten Saisontreffer! Es war ein Spiel, in dem man den Eindruck gewann: Wer das erste Tor schießen würde, wird den Platz als Sieger verlassen. Aber da wurde die Rechnung ohne BW 96 gemacht! Coach Turan bewies ein goldenes Händchen, brachte Furkan Sen und Kwadwo Osei. Erstgenannter beförderte die Kugel aus 17 Metern an den linken Innenpfosten, Osei stand goldrichtig und staubte zum 1:1 ab (9.)! Also doch eine Punkteteilung? Von wegen!

„Dachte zuerst: Scheiße, der ist viel zu weit“

Auch Karch wechselte, brachte Topscorer Tom Nitzsche und gab diesem mit auf den Weg: „Du wirst das Spiel heute entscheiden!“ Gesagt, getan. Es lief bereits die Nachspielzeit, als Mäkelmann an der rechten Außenlinie einen Schlag in die Weichteile verpasst bekam. Der Freistoß aus nahezu identischer Position, wie vor dem 1:0, wurde nun zur Chefsache. Tom Nitzsche legte sich das Leder zurecht und seine Hereingabe aus über 40 Metern wurde länger, und länger, und länger. Schlussendlich avancierte Benjamin Ernst zum Unglücksraben, als er den Ball unterschätze, diesen unterlief und mit den Fäusten noch leicht ins linke obere Toreck verlängerte (90. +2)! Der Siegtreffer in buchstäblich letzter Sekunde ließ den Landesliga-Aufsteiger in puren Jubel ausbrechen. „Die Krönung eines unglaublichen Jahres“, brachte Karch mit arg angeschlagener Stimme gerade noch heraus. Dafür erklärte der Matchwinner: „Als ich den Ball losgeworden bin, dachte ich zuerst: Scheiße, der geht viel zu weit. Natürlich gehört da auch ein bisschen Glück dazu, aber ich habe alle Kraft da reingelegt, denn wir wollten unbedingt mit einem Sieg in die Winterpause. Solche Siege sind die schönsten. Vielleicht hat am Ende der unbändige Wille den Unterschied ausgemacht“, so Nitzsche.

Eine komplett andere Gefühlslage herrschte auf der anderen Seite. „Sella“ Turan befand: „Ich möchte wirklich nicht großkotzig klingen, aber ich habe selten einen unverdienteren Sieger gesehen! Wer sich hinstellt und sagt: Ihr hättet einen Punkt mitnehmen müssen, der hat keine Ahnung vom Fußball. Heute hätte es nur einen Sieger geben dürfen! Der HSV macht aus null Chancen zwei Tore und wir können fünf, sechs Riesenchancen nicht nutzen.“ Turans Einschätzung, weshalb Ernst den Vorzug vor Rückkehrer Florian Jensen erhielt. „Ich habe immer gesagt, dass Flo für mich der beste Torhüter Hamburgs ist. Aber er war zuletzt drei Wochen im Urlaub und Benni hat seine Sache in dieser Zeit gut gemacht. Er war einfach dran. Am Gegentor gebe ich ihm überhaupt keine Schuld. Dieser Treffer war nur vom Wind begünstigt, sonst hätte er den locker gehabt.“

Der LIVE-Ticker zum Spiel: