Landesliga Hansa

Bissige „Raubvögel“ nach Trainerwechsel: „Dieser Sieg war auch für André!“

22. Oktober 2023, 20:41 Uhr

Der SC Condor feiert den 3:2-Heimsieg im ersten Spiel unter der Regie von Luka Maras gegen Hamm United. Foto: Kormanjos

Die Botschaft des Tages am Berner Heerweg übermittelte der gerade einmal 20-jährige Robin Pollok inmitten der Feierlichkeiten: „Das war auch für André!“, dachte der Jungspund im Mannschaftskreis nicht nur an den hart erkämpften 3:2-Sieg seines SC Condor gegen den Hamm United FC (alle Highlights im LIVE-Ticker), sondern auch direkt an den unter der Woche zurückgetretenen Ex-Chefcoach André Kruse, der „aus persönlichen Gründen“ seinen Hut nahm. Ein Satz, der eine deutliche Sprache spricht. Worte, die keine leere Hülse sind, wenn man den folgenden Ausführungen von Nachfolger Luka Maras lauscht: „Natürlich sind wir alle – was die Umstände angeht – total traurig. Wir geben für André immer 100 Prozent und werden das auch die ganze Saison über tun. Denn jeder weiß, was er für einen Aufwand für den SC Condor betrieben hat. Ganz egal, ob im Training oder generell. Er war immer da, hat die Sachen von A nach B transportiert, weil wir keinen Betreuer haben, und hat auch Sponsoren rangeholt. Er ist Condoraner durch und durch gewesen und war ein Vorbild für alle. Jetzt ziehen wir das gemeinsam durch und hoffen, dass wir ihn damit glücklich machen können!“

Bis zum erlösenden Schlusspfiff war großes Zittern angesagt. „Das nimmt uns keiner mehr weg!“, rief Maras seinen Schützlingen zu Beginn der Nachspielzeit lautstark zu. Und der unbändige Wille an diesem Sonntagvormittag wurde belohnt. Bezeichnend für den bissigen Auftritt der „Raubvögel“: Es lief bereits die 94. Spielminute, als Bendix Priess auf Höhe der rechten Eckfahne bei einem Tackling gegen Lenny Stöver im wahrsten Sinne Kopf und Kragen riskierte – mit Erfolg. Nach vier erfolglosen Spielen konnte der SC Condor endlich mal wieder einen „Dreier“ bejubeln. Im ersten Spiel nach Kruse und mit neuem Trainer, der vom „Co“ zum Chef befördert wurde.

"Die Mannschaft, die mehr getan hat, hat gewonnen"

Ein klares Zeichen: Timo Adomat lief nach seinem Führungs- und zugleich 3:2-Siegtreffer direkt zur Bank und in die Arme von Luka Maras. Foto: Kormanjos

„So viel haben wir gar nicht gemacht. Die ganze Arbeit haben wir vorher schon zusammen verrichtet. Es hat einfach nur gefehlt, dass man sich auch mal für den ganzen Aufwand, den man betreibt, belohnt. Letztendlich war heute einfach mal wichtig, kaltschnäuziger als in den Spielen davor zu sein. Dann kommt der Rest von allein“, so Maras, der anfügte: „Wir haben es heute geschafft, auch für André zu gewinnen, alle an einem Strang zu ziehen – und dann kommt sowas dabei heraus. Denn die Mannschaft hat Qualität. Man muss nur an ein, zwei Rädchen drehen.“ Rädchen, die ineinandergriffen. Denn auch von einem zweimaligen Rückstand ließ man sich kein Stück beirren oder gar aus der Bahn werfen, sondern schlug stets zurück.

Sehr zum Leidwesen der Gäste. „Die Mannschaft, die mehr getan hat, hat gewonnen“, gab HUFC-Übungsleiter Sidnei Marschall unumwunden zu. „Wir gehen in Führung und dann ist es, wie in der letzten Woche, als wir in der Nachspielzeit den Ball verlieren und eine 3:1-Führung aus der Hand gegeben haben. Durch einen individuellen Fehler machen wir den Gegner wieder stark“, haderte Marschall mit dem prompten Ausgleichstreffer, als seine Mannen nach einer Großchance von Edwin Satzer den Ball mehrfach nicht entscheidend geklärt bekamen und Marko Tadic mit einem herrlichen Schlenzer aus 18 Metern linker Position ins lange Toreck traf (23.). „Wenn es so ist, wie in der zweiten Halbzeit, wo Condor einfach mehr gemacht und sich Chancen erspielt hat, dann kann ich damit leben. Fehler passieren. Aber solche Fehler dürfen einfach nicht passieren. Und das nervt. Wir sind selbst schuld, dass wir hier keine Punkte holen. Wir müssen einfach mehr machen.“

Timo Adomat dreht auf und das Spiel

Die Gäste aus dem Hammer Park gingen zweimal nach dem komplett gleichen Schema in Front. Zweimal spielte Jeffery Volkmer aus dem Zentrum den langen Ball auf den Flügel. Erst servierte Joel Andrew die Kugel für Sinisa Veselinovic auf dem Silbertablett (21.). Dann hatte Adrian Cekala nach starker Vorarbeit von Henry Steinbeck keine Mühe mehr (57.). Doch auch diesmal konnten sich die Marschall-Mannen nicht lange freuen, weil ein Akteur auf seine alten Tage seinen x-ten Frühling erlebt: Timo Adomat. Sein Zuspiel verwertete Satzer mit einer schnellen Drehung um Paul Meyer herum zum 2:2 (62.), ehe Adomat selbst nach Tadic-Assist aus 16 Metern trocken links unten einschoss – 3:2 (70.)! Nicht nur deshalb hatte der an nahezu sämtlichen Situationen beteiligte 35-Jährige ganz entscheidenden Anteil am Sieg seiner Condoraner.

"Ado kannst du überall hinstellen und bekommst immer 110 Prozent"

Gefrustete Gäste aus dem Hammer Park nach einer ganz schwachen Vorstellung am Berner Heerweg. Sidnei Marschall fand deutliche Worte. Foto: Kormanjos

„Ado ist immens wichtig – nicht nur aufgrund seiner Erfahrung. Man darf nicht vergessen, dass er ein paar Lenzen mehr drauf hat als ich und gefühlt mein Trainer sein könnte“, witzelte Maras. „Trotzdem akzeptiert er die Konstellation zu 100 Prozent und hat mir auch sofort gesagt, dass er vollkommen hinter mir steht. Und wenn ich ihn hier auf dem Platz sehe, dann macht das einfach Spaß und Laune. Der Mann ist einfach nach wie vor ein Unterschiedsspieler – auch in seinem Alter“, lobhudelte der neue Condor-Coach seinen Routinier, der nach seinem Torerfolg den direkten Weg zur Bank suchte. „Wir mussten heute während des Spiels so oft reagieren. Egal, ob vorne oder hinten – ‚Ado‘ kannst du überall hinstellen und weißt, dass du von ihm immer 110 Prozent bekommst.“

Die bekam er an diesem Vormittag allerdings auch von allen anderen Akteuren. Ein gelungener Auftakt für den neuen Mann auf der Kommandobrücke – mit zusätzlichen hellseherischen Fähigkeiten: „Wir müssen uns selbst belohnen!“, rief er seinem Team zu. Kaum ausgesprochen, da erzielte Satzer das 2:2. Und Co-Trainer Michel Tebeck pushte das Team lautstark stets nach vorne: „20 Minuten harte Arbeit, Jungs! Kommt raus aus der Komfortzone!“ Gefolgt von einem: „Condor, den Fokus behalten!“ Oder auch: „Condor, wir wollen!“ Und dieser Wille versetzte am Sonntagmittag wahre Berge – vor den Augen des anwesenden Ex-Trainers…

Autor: Dennis Kormanjos