„Das war weder Oberliga- noch Condor-würdig!“

Osdorf feiert Doppel-Wachter, „Arbeitstier“ Bonewald – und sich selbst

19. November 2016, 00:43 Uhr

Melvin Bonewald schloss einen traumhaften Angriff zum vorentscheidenden 3:1 ab und krönte seine starke Leistung. Foto: noveski.com/Bode

Christian Woike ist stets ein Mann klarer Worte. Der Trainer des SC Condor stellt sich, wenn es denn notwendig ist, schützend vor seine Mannschaft – findet aber auch umso deutlichere Worte, wenn’s nicht anders geht. Nach dem Spiel beim TuS Osdorf war einer dieser Tage, in dem Fall eher Abende, wo Woike aus seiner Gefühlswelt keinen Hehl machte und seine Mannschaft kritisierte: „Das war in der ersten Halbzeit nicht ansatzweise oberligawürdig! Es reicht nicht, wenn du in der Oberliga nur 20 Minuten am Spiel teilnimmst. Unkonzentriertheiten, Abspielfehler und taktisches Fehlverhalten: Das sind Zeichen von Gleichgültigkeit, Überheblichkeit und einfach nicht wach sein.“

Mit dieser offenen und äußerst ehrlichen Einschätzung nahm Woike seine Mannen in die Pflicht – und legte nach: „Alles, was hier abgelaufen ist, war bekannt und nicht überraschend. Was ernüchternd ist, ist vor allem die Art und Weise. Wir kriegen nach 57 Sekunden ein Tor, wo wir zweimal überlaufen werden und im Fünfmeterraum überhaupt keinen Zugriff bekommen. Und wir kassieren ein Tor nach einem Einwurf von der Mittellinie. Das zeigt einfach, dass man nicht wach ist und eine gewisse Gleichgültigkeit an den Tag legt – das kann nicht sein. Das werde ich mir in der Form auch nicht bieten lassen!“ Am Berner Heerweg drohen also Konsequenzen nach diesem schlafmützigen Auftritt am Blomkamp.

Wachter schockt Condor doppelt – erstmals nach 57 Sekunden

Jeremy Wachter (re.) holt sich die Glückwünsche seines Trainers ab. Foto: noveski.com/Bode

Was der SCC-Coach bereits bemängelte, nutzten die heimischen Osdorfer gnadenlos aus: der Anpfiff von Referee „Drago“ Vollmers war gerade erst ertönt, als sowohl Kevin Trapp als auch Germain Hounsiagama nicht attackiert wurde. Letztgenannter flankte von der rechten Grundlinie auf den völlig freistehenden Jeremy Wachter, der mit seinem schwächeren rechten Fuß per Direktabnahme aus zehn Metern links unten einschoss (1.)! Ein Traumstart für die Hausherren, die dann jedoch im Glück waren, dass Gökhan Iscans Strahl – nach einer kurz ausgeführten Mellmann-Ecke – am linken Innenpfosten landete (21.). Wer nun allerdings glaubte, das wäre der Wachrüttler für die Gäste aus Farmsen gewesen, der täuschte sich gewaltig. Wenige Augenblicke darauf: TuS-Kapitän Bennet Krause musste verletzungsbedingt raus. Eine Schwächung? Für ihn kam Patrick Herbrand in die Begegnung. Dessen allererste Aktion war ein darauffolgender Einwurf von Höhe der Mittellinie, den Torben Krause rechts im Strafraum per Kopf quer legte und Wachter per Flachschuss ins rechte Toreck beförderte. 2:0 (24.)!

„Erste Halbzeit war wie aus einem Guss“

Nach einem weiteren abenteuerlichen Stockfehler der Condoraner marschierte Melvin Bonewald frei auf Sascha Kleinschmidt zu. Anstatt selbst abzuschließen versuchte er den mitgelaufenen Wachter in Szene zu setzen – doch Mike Theis sprintete von hinten heran und rettete in höchster Not (32.). „Die Mannschaft war von der ersten Minute an voll präsent. Die erste Halbzeit war wie aus einem Guss! Wir sind als Einheit aufgetreten, waren griffig in den Zweikämpfen und haben dem Gegner mit unserem Spiel den Schneid abgekauft“, befand Piet Wiehle. Sein Gegenüber hatte jedenfalls genug gesehen: Jannick Martens und Alexander Krohn ersetzten die indisponierten Samir Kabashi und Isaak Hoeling. Es hätte aber auch einen der anderen acht Feldspieler treffen können – vielleicht mit Ausnahme von Mike Theis, dem zumindest das Bemühen nicht abzusprechen war. Auch nach dem Wechsel war zunächst wenig von dem großen Aufbäumen zu sehen. Doch dann: der eingewechselte Michel Blunck, der sich gegen die Pleite stemmte, sah Carlos Flores – und dieser hatte den linken Innenpfosten auf seiner Seite. Aus dem Nichts das 1:2 aus SCC-Sicht (77.)!

„Melle, hau das Ding einfach rein“

Ernüchterung auch beim eingewechselten Michel Blunck, der trotz seines Tores auch nicht die Wende herbeiführen konnte. Foto: noveski.com/Bode

Nun sollte sie beginnen, die Aufholjagd. Aber denkste! Denn Osdorf schlug umgehend zurück – und wie: der einmal mehr starke Bonewald leitete den Angriff mit einem Pass auf den pfeilschnellen Hounsiagama selbst ein. Der „Flügelflitzer“ erlief das etwas zu lang geratene Anspiel und fand Wachter, der rechts im Strafraum den richtigen Moment abpasste und dann dem eingelaufenen Bonewald das Spielgerät auf dem Silbertablett servierte. Dieser vollstreckte trocken rechts unters Gebälk (80.)! Ausgerechnet Bonewald, der vor der Pause noch die Riesenchance auf das 3:0 vergab. „In der Halbzeit habe ich ihm gesagt: Melle, hau das Ding beim nächsten Mal einfach rein“, verriet Wiehle. Während Woike sich über den prompten Gegenschlag ärgerte: „Das passiert uns ja nicht zum ersten Mal. Das ist das, was uns immer wieder auf die Füße fällt.“ Die Entscheidung? Mitnichten! Wieder kam die Woike-Equipe zurück – und erneut war es nicht unbedingt abzusehen. Diesmal war Blunck nach Theis‘ Zuspiel mit dem rechten Innenpfosten im Bunde – 2:3 (84.)! Beinahe hätte Ibrahim Özalp das Geschehen auf den Kopf gestellt und seinem Team tatsächlich noch einen Punkt gerettet. Doch TuS-Fänger Claus Hencke blieb sowohl im ersten Versuch als auch beim Nachschuss des Offensivakteurs Sieger (86.), wie auch seine Mannschaft!

Stau bei der Anreise? „Samenstau vielleicht!“

Der Jubel am Blomkamp war nach sechs sieglosen Spielen groß. Foto: noveski.com/Bode

„Der heutige Zustand ist nicht Oberliga- und auch nicht Condor-würdig! Genau das sind nicht die Charakterzüge meiner Mannschaft“, strafte Woike sein Team ab. Auf Nachfrage, ob das unkonzentrierte Auftreten mit Problemen bei der Anreise zu tun gehabt hätte oder ob man gar im Stau stand, entgegnete der Übungsleiter nur: „Samenstau vielleicht!“ Damit hatte er die Lacher auf seiner Seite, wenngleich ihm alles andere als zum Lachen zu Mute war. Piet Wiehle bilanzierte unterdessen: „Wir wissen, dass wir zu Hause gegen jede Mannschaft bestehen können. Nach den letzten Wochen waren wir heute mal an der Reihe. Condor ist für mich eine Spitzenmannschaft, hat aber genauso wie wir bisher sechs Niederlagen auf dem Konto gehabt. Wenn ich die 90 Minuten aus meiner Sicht betrachte, dann ist der Sieg hochverdient.“ Auf die Frage, ob er mit einem stärkeren Gegner gerechnet habe, gestand er: „Ja, habe ich.“ Dem fügte er abschließend an: „Ich glaube, sie waren taktisch anders auf uns eingestellt und nicht darauf vorbereitet, wie wir hier heute auftreten würden.“

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