Oberliga

Ein Doege-Donnerhall mit Ansage der Konkurrenz: „Im Sonnenschein hast du halt das Quäntchen Glück!“

28. Januar 2024, 19:51 Uhr

Die TuS Dassendorf bejubelt den Last-Minute-Sieg beim amtierenden Hamburger Meister TSV Sasel - und erklimmt die Tabellenspitze zurück. Foto: Kormanjos

Was die Tabellenkonstellation angeht, sind sie eigentlich große Rivalen im Kampf um die Meisterschaft. Und eigentlich hätte Pascal El-Nemr (Altona 93) darauf hoffen müssen, dass die TuS Dassendorf beim amtierenden Titelträger TSV Sasel (alle Highlights im LIVE-Ticker) ein wenig Federn im Rennen um die „Pole Position“ lässt. Als jedoch sein „Buddy“ Oliver Doege (TuS Dassendorf) in der 84. Spielminute zur Einwechslung bereitstand, unkte der unter den Zuschauern weilende El-Nemr am Spielfeldrand: „Mit diesen Schuhen kann man nur Tore schießen.“ Der trockene Konter von Doege: „Wenn ich eins schieße, komme ich zu dir“, ließ der „Sechser“ der TuS ein Augenzwinkern folgen – und legte mit einem klaren Auftrag los.

Bald 37 Jahre jung - aber kein bisschen langsam oder gar müde: Rinik Carolus (Mi.) ist ganz eng an Lukas Kourkis (li.) dran und machte über die linke Seite Dampf. Foto: Nina Ruck

„Er sollte nicht nur für ‚Benno‘ (Henrik Dettmann, Anm. d. Red.) die Sechs halten, sondern auch mit seiner körperlichen Präsenz und seinem Kopfballspiel vorne vielleicht nochmal den ‚Lucky Punch‘ setzen. Wir wissen ja, was er für einen Schuss hat – und das hat er im letzten Jahr auch gezeigt“, so die Intention von Dassendorf-Coach Thomas Seeliger bei der Einwechslung von Doege. Zu eben jenem Zeitpunkt hieß es im Oberliga-Spitzenspiel am Parkweg 1:1. Als bereits die dritte Minute der Nachspielzeit lief, passierte ausgerechnet das, was El-Nemr zuvor bereits voraussagte. Martin Harnik legte eine Hereingabe von Zhi-Gin Lam für Doege ab. Aus 20 Metern fackelte der Joker nicht lange, fasste sich ein Herz – und jagte das Spielgerät mit einem Vollspann-Strahl in den linken Winkel!

"Das hätte in beide Richtungen ausgehen können"

Wirbelte auf dem Flügel viel herum: Pedro Gomes dos Santos (Mi.) wird von Henrik Dettmann (re.) verfolgt und hat Sven Möller (li.) im Visier. Foto: Nina Ruck

Der Siegtorschütze konnte sein Glück kaum fassen, ließ einen staunenden El-Nemr zurück und feierte den fulminanten Treffer mit seinen Teamkollegen. Was für ein nervenaufreibendes Finish! „Das bin ich ja gewohnt“, hatte Seeliger hinterher gut lachen. „Es freut mich nicht nur für uns alle, sondern auch für ihn, dass er das Ding da so eingeschweißt hat.“ Denn Seeliger wusste auch: „Das hätte in beide Richtungen ausgehen können – das muss man ganz klar sagen. Wir hatten am Ende das Momentum auf unserer Seite und sind froh, bei so einem schweren Auftaktgegner die drei Punkte mitgenommen zu haben. Das ist nicht selbstverständlich.“

Ein schwerer und zugleich arg gebeutelter Gegner, der mal wieder diverse Leistungsträger ersetzen musste. „Die hatten ein paar verletzungsbedingte Ausfälle. Aber am Ende stand da eine Mannschaft mit einer hohen Qualität auf der Platte. Von daher war ja klar, dass das ein schwieriges Spiel wird“, hatte der TuS-Trainer gehörig Respekt vor dem Hamburger Meister – und war dementsprechend umso erleichterter nach dem Schlusspfiff. Zumal seine „Wendelwegler“ letztlich mit mehr als nur einem blauen Auge davonkamen. „Ich habe es schon den Jungs im Kreis gesagt, dass es natürlich mega enttäuschend ist, so als Verlierer vom Platz zu gehen, aber auch, dass es gar keinen Grund gibt, die Köpfe hängen zu lassen. Ganz im Gegenteil. Wir haben Dassendorf trotz der Personallage mit einer brutal jungen Truppe einen riesigen Fight geboten. Ich bin mega stolz auf die Jungs“, lobhudelte Marco Stier seinen TSV.

Siegfried hat den vermeintlichen Sieg auf dem Fuß

Er habe „eine ganz neue Facette und komplett andere Seite“ von seiner Mannschaft gesehen“, so Stier. „Wir haben heute das erste Mal im Abwehr-/Mittelfeld-Pressing gespielt und Fußball gearbeitet, was eigentlich nicht unser Weg ist. Die Jungs haben das sehr diszipliniert gemacht und genau in den Räumen, wo wir Ballgewinne haben und im Umschaltspiel stark sein wollten, gute Situationen kreiert.“ Mehr noch. Bevor der neue Tabellenführer den „Lucky Punch“ setzte, waren es die „Parkwegler“ die gleich zweimal den vermeintlichen Sieg auf dem Fuß hatten. Erst zog Benjamin Dreca nach einem perfekten Zuspiel von Maximilian Grünberg nur um Haaresbreite am langen Eck vorbei (79.), ehe der eingewechselte Simon Siegfried zum Matchwinner hätte avancieren können, wenn nicht gar müssen. Aus allerkürzester Distanz und mit ganz viel Zeit sowie Platz ausgestattet, beförderte er den Ball – nach Pass von Jean-Lucas Gerken – weit über das Gehäuse (90.).

"In meinen Augen war das absolut unverdient"

Marius Mohr (Mi.) zeigte in der Innenverteidigung des TSV Sasel eine überragende Leistung - bis zum entscheidenden Fehlpass in Minute 93. Foto: Nina Ruck

„Wir waren am Drücker, haben leidenschaftlich gekämpft und müssen das Spiel entscheiden“, haderte Stier. „Aber wenn du im Sonnenschein stehst, dann hast du halt das Quäntchen Glück! In meinen Augen war das absolut unverdient. Wir hätten mindestens einen Punkt, wenn nicht sogar den Sieg verdient gehabt. Aber so ist das halt. Trotzdem nehmen wir sehr viel Positives mit aus diesem Spiel.“

Unter anderem auch die überragende Leistung seines Innenverteidiger-Duos: Der 19-jährige Benedict Hwidie agierte komplett unbekümmert, abgeklärt und zweikampfstark. Während Marius Mohr mit seinen 20 Jahren einen sensationellen Job gegen Martin Harnik verrichtete und den Ex-Profi nahezu aus dem Spiel nahm. Bis zu eben jener Situation in der dritten Minute der Nachspielzeit, als es ausgerechnet Mohr war, der den Ball unglücklich in den Fuß von Flankengeber Lam spielte. „Natürlich darf Marius das nicht passieren. Er muss einfach den Körper reinstellen und den Ball ins Aus rollen lassen oder halt so schlagen, dass der Ball nicht im Fuß des Gegners landet. So nutzt Dassendorf das natürlich brutal aus“, monierte Stier, fügte aber postwendend an: „Ich bin nicht nur auf ihn, sondern auch auf ‚Bene‘ Hwidie absolut stolz und kann beiden Innenverteidigern nur ein großes Lob aussprechen.“

Ärger auf beiden Seiten über die Gegentore

Besonders bitter: Auch das 0:1 aus Saseler Sicht war absolut vermeidbar. „Das darf uns nicht passieren! Da muss die Kommunikation, aber auch die Wachsamkeit besser sein“, sprach Stier darauf an, dass Len Aike Strömer nach einem kurz ausgeführten Freistoß von Sven Möller im Rückraum auf einmal völlig frei stand und ungehindert Maß nehmen konnte (63.). Nicht minder sauer stieß Seeliger der zwischenzeitliche Ausgleich auf. „Es ärgert mich ungemein, dass du in einer Situation, wo du in Ballbesitz bist, wieder genau da reinspielst, wo drei Saseler Spieler stehen, du wieder den Ballverlust hast, die Räume offen sind und die durchstecken können. Das darf uns einfach nicht passieren!“

"Es kann nicht sein, dass du dann immer wieder in die Schwulität kommst"

Sasels Flügelflitzer Pedro Gomes dos Santos (re.) - hier im Duell mit Sven Möller - erzielte den zwischenzeitlichen Ausgleich für den TSV. Foto: Nina Ruck

Genauer gesagt: Maximilian Ahlschwede fand mit seinem Ball nur den Gegner. Sasel schaltete schnell um. Dreca spielte tief – und Pedro Gomes dos Santos überwand Christian Gruhne mittig per Flachschuss (71.). „Manchmal ist es schwer zu verteidigen. Aber es geht um die Entstehung – und die darf so nicht passieren. Du kannst den Ball vorne immer mal verlieren. Aber du musst eine Staffelung und Absicherung haben. Es kann nicht sein, dass du mit einem langen Pass in die Tiefe immer wieder in die Schwulität kommst, den Zweikampf gewinnen zu müssen“, sah Seeliger ein „symptomatisches Gegentor“.

Und am Ende auch einen durchaus glücklichen Sieg. „Einen Großteil des Spiels haben wir den Gegner gut weggehalten. Aber am Ende musst du auch wieder froh sein“, gab er auf Nachfrage zu, dass er auch „einen Punkt mitgenommen“ hätte. „Mir geht‘s immer darum, dass du nicht ins Verderben läufst. Von daher: Ein Punkt ist besser als gar keiner. Am Ende ist es gut gegangen. Die Jungs haben gefightet und gekämpft. Und morgen kräht kein Hahn mehr danach. Aber wir wissen, dass wir immer am Limit arbeiten müssen“, bilanzierte Seeliger – und freute sich dank des Mannes mit den Tor-garantierenden Schuhen über die Rückkehr an die Spitze.

Autor: Dennis Kormanjos