Oberliga

Das älteste Stadtderby Deutschlands: Ein überraschendes Trainer-Comeback und ein prägender Protagonist!

16. Dezember 2023, 20:44 Uhr

Die Mannschaft von Altona 93 feiert mit ihren Fans den erfolgreichen Jahresabschluss im ältesten Stadtderby Deutschlands. Foto: Matthias Wenner

Er sei ein Spieler, „der hier und da manchmal noch ein bisschen schwankend ist, der auch immer mal wieder von der einen oder anderen Verletzung“ außer Gefecht gesetzt wurde und „mental noch etwas daran arbeiten muss, dass er sich noch mehr fokussiert“, sagt Andreas Bergmann, um postwendend anzufügen: „Denn er hat ganz tolle Voraussetzungen, ein gutes Potenzial und kann ein ganz spannender Junge werden“, so der Trainer von Altona 93 über seinen Spieler Abdul Saibou. Der 21-Jährige, der nicht nur aufgrund seiner Position, sondern auch wegen seiner unbedarften Spielweise oft ein Stück weit an den ehemaligen HSV-Profi Thimothée Atouba erinnert, stand im ältesten Stadtderby Deutschlands gegen den SC Victoria Hamburg (alle Highlights im LIVE-Ticker) im Blick- und Mittelpunkt…

Luca Ernst (re.) brachte die Gäste nach einem gewonnen Pressschlag mit Abdul Saibou in Führung. Foto: Matthias Wenner

Zunächst war der Linksfuß nach „einer Aneinanderreihung von etwas dummen Fehlern“, wie Bergmann die Fauxpas-Kette bezeichnete, das letzte Glied in eben jener Riege, hatte beim Pressschlag mit Luca Ernst das Nachsehen und musste schließlich mitansehen, wie der Victorianer zur überraschenden Führung der Gäste vollstreckte (16.). Zuvor führte ein Fehlpass von Armel Gohoua auf Höhe der Mittellinie zum Gegenzug. Dann konnten Michael Ambrosius und Gideon Baur im Verbund gegen den nachsetzenden Evailton Fernandes die Gefahr nicht bannen, ehe Saibou im Duell mit Ernst nur zweiter Sieger blieb.

Saibou dreht das Spiel - SCV-Debütant beinahe mit dem "i-Tüpfelchen"

Immer mit einem verschmitzten Grinsen im Gesicht und einer gewissen Leichtigkeit auf dem Platz: Altonas Abdul Saibou (Mi.), der die Wende mit seinem Ausgleich einleitete. Foto: Matthias Wenner

Doch der Linksfuß kann es auch anders. Ganz anders. Kurz nach Wiederanpfiff bekam er die Kugel gegen in der Vorwärtsbewegung befindliche Gäste von Gohoua, der einen Schritt vor Luca Palzer an den Ball kam, zugespitzelt. Auf halblinks zog Saibou davon und schweißte aus zwölf Metern trocken ins lange Toreck ein – 1:1 (51.)! Und auch daran, dass sich sein AFC mit einem wahrhaftigen „Happy End“ unterm Weihnachtsbaum in die Winterpause verabschiedete, hatte der Ex-Osdorfer maßgeblichen Anteil. Fünf Minuten vor Ultimo rutschte sein tiefer Ball aus dem linken Halbfeld flach zu Gohoua durch. Links im Strafraum legte dieser uneigennützig für den völlig freistehenden Selim Ajkic quer – 2:1 (85.)!

Quasi im Gegenzug stand Saibou auf der anderen Seite erneut im Blickpunkt, als er nach einer Freistoß-Flanke von Palzer einen Querschläger produzierte und seinen Keeper Dennis Lohmann zu einem Riesenreflex zwang (87.). Nachdem ausgerechnet der eingewechselte Jannis Marc Daniels in der Nachspielzeit freistehend über den Kasten zielte (90. +2), konnten Saibou und seine Teamkollegen auf- sowie durchatmen. Zumal Gianluca Przondziono mit dem Schlusspfiff beinahe noch das Highlight auf das letzte Oberliga-Spiel des Jahres 2023 gesetzt hätte. Sein „Befreiungsschlag“ vom eigenen Strafraum verfehlte das SCV-Gehäuse nur um Zentimeter (90. +7)!

Überraschendes Trainer-Comeback bei Vicky

Der späte Altonaer Siegtreffer: Selim Ajkic (nicht im Bild) trifft fünf Minuten vor Schluss aus kurzer Distanz ins kurze Eck - 2:1. Foto: Matthias Wenner

Doch damit zurück zum Vicky-Joker Daniels, der aufgrund unzähliger Ausfälle sein Debüt für die Liga-Mannschaft feiern durfte. Apropos Debüt: „Das wäre wirklich das i-Tüpfelchen gewesen“, haderte Selcuk Turan ein wenig mit der vergebenen Großchance zum 2:2. Richtig gehört: Selcuk „Sella“ Turan führte den SCV in die Partie an der „AJK“, da Interimstrainer David Eybächer Corona-bedingt fehlte. „Wir hatten gestern Abend, am heutigen Morgen und sogar kurz vorm Spiel noch Ausfälle. Da ist es natürlich toll, wenn man so kurzfristig noch drei Spieler aus der U23 hochziehen kann und die Jungs das wirklich toll machen“, so Turan, der seit einigen Monaten als Herren-Koordinator bei Vicky tätig ist und für Eybächer einsprang.

Turan: "Kann den Jungs nur ein Riesen-Kompliment aussprechen"

Was für eine Reaktion von AFC-Keeper Dennis Lohmann (li.) gegen seinen Ex-Club: Nach einem Saibou-Querschläger reißt er die Arme hoch und verhindert das 2:2. Foto: Matthias Wenner

„Ich war ja jetzt lange raus. Im September habe ich mich dazu ‚durchgerungen‘, doch mal wieder was zu machen. David und ich kennen uns sehr lange und sehr gut. Er weiß auch, wie es mit mir ist. Und so habe ich offiziell diese Stelle angetreten“, verriet er im Nachgang. Sein sportliches Fazit: „Ich habe gerade eben schon im Kreis gesagt: Ich kann den Jungs nur ein Riesen-Kompliment aussprechen. Sie haben alles reingehauen, sich als Team präsentiert, sind füreinander dagewesen, haben um jeden Ball gekämpft, Fehler ihres Mitspielers ausgemerzt und es Altona wirklich schwer gemacht. Natürlich waren mehr Chancen auf Altonas Seite, aber letztendlich hätten wir nicht unverdient mit einem Punkt hier rausgehen können, weil wir auch noch die eine oder andere Situation hatten.“

"Finde es völlig verdient, dass wir gewonnen haben"

Michael Ambrosius (li.) mit Wucht, Energie und Überzeugung gegen Victorias eingewechselten Jannis Daniels. Foto: Matthias Wenner

Zumal er auf etliche Leistungsträger verzichten musste. „Ich bin ja schon ein Opa, was das angeht – und lange dabei. Aber ich kann mich nicht daran erinnern, jemals eine Woche vor Heiligabend noch gespielt zu haben. Viele Jungs sind da schon im Urlaub, andere verletzt. Und dann hast du eigentlich einen 26-Mann-Kader, aber plötzlich nur noch 13 Leute zur Verfügung. Das ist natürlich hart“, mussten Turan und sein Team ein Stück weit improvisieren. „Fußballerisch haben die Platzverhältnisse in keinster Weise etwas hergegeben. Taktisch haben wir viel umgesetzt. Aber hier waren heute eher die alten Werte und Tugenden gefragt“, bilanzierte „Sella“.

Die „natürlich schwierigen Bedingungen“ sprach auch sein Gegenüber an – und befand: „Insgesamt waren wir die tonangebende Mannschaft. Auch in der ersten Halbzeit haben wir uns schon so viele Chancen erspielt. Da tut es schon ein bisschen weh, dass wir das noch nicht so in Toren ummünzen können, was wir uns alles erarbeiten. Das ist immer noch ein bisschen das Manko. Wir müssen weiter an der Durchschlagskraft arbeiten“, beteuerte Bergmann. Das Positive: Wie seine Mannschaft mit dem Rückstand umging und zurückschlug. „Wir haben uns gesagt, dass wir weiterarbeiten und unsere Chancen kriegen werden. Das haben wir gemacht – und am Ende finde ich es auch völlig verdient, dass wir noch gewonnen haben. Auch wenn es nochmal etwas wild wurde, weil sie natürlich auch nochmal alles versucht haben mit vielen langen Bällen.“

AFC-Berufung vor Verbandsgericht terminiert

Eben jener Daniels (Mi.) steuerte in der Nachspielzeit noch einmal blank auf Dennis Lohmann zu, verzog auf dem holprigen Geläuf aber deutlich. Schluss - und Sieg für Altona! Foto: Matthias Wenner

Der erfolgreiche Abschluss einer erfolgreichen Hinrunde. Und noch steht ein „Ergebnis“ aus. Nachdem sich das Verbandsgericht des HFV aus dem scheinbar vorzeitigen Winterurlaub zurückgemeldet hat und die AFC-Berufung gegen das Türkiye-Spiel-Urteil (0:3 nach 3:0-Sieg) – nach monatelanger „Funkstille“ – am Donnerstag verhandelt werden soll, könnte Altona 93 sogar noch an der Spitze überwintern. Bergmann: „Erst einmal ist dieses Türkiye-Spiel für mich ein Sieg von und für uns. Wir haben sportlich gewonnen! Ob und was der Verband da findet, weiß ich nicht. Aber als Trainer kann man ja nur zufrieden sein, wenn man nicht ein Spiel verloren hat. Auch die Art und Weise, wie die Jungs mitarbeiten und mitmachen, wie willig sie sind und auch Ziele verfolgen – das macht einfach Spaß. Deshalb bin ich schon zufrieden – auch von der Einstellung her.“

Heißt: Nach der Winterpause erfolgt der große Angriff? „Jedes Spiel ist wieder ein neuer Angriff. Wir wollen jedes Spiel als Wettkampf sehen, den Spirit beibehalten und uns noch einen Schritt weiterentwickeln – sowohl als Einzelspieler als auch als Mannschaft“, erklärte Bergmann abschließend.

Autor: Dennis Kormanjos