Regionalliga Nord

Hollerieth nach Auftaktsieg: „Wenn es drauf ankommt, können sich die Jungs zu 100 Prozent fokussieren“

09. September 2020, 12:12 Uhr

Deine letzte Station in Hamburg war der FC Elmshorn. Im Januar 2014 bist du dort gegangen – und warst seither in anderen Bundesländern tätig. Worin lag für dich der Reiz, als Trainer nach Hamburg zurückzukehren?

Jan-Philipp Rose (2. v. li.) und Achim Hollerieth verfolgen das Geschehen auf dem Platz. Foto: KBS-Picture.de

Hollerieth: „Meine letzten Stationen waren ja allesamt in der Regionalliga Nordost. Da ist der Vorteil, dass 90 Prozent der Vereine Profi-Mannschaften sind und auch zweimal am Tag trainieren. Das hat riesen Spaß gemacht. Aber das Trainer-Geschäft ist nicht immer ganz einfach. Du wirst ja leider – und so ist es nun mal – nur an Ergebnissen gemessen. Und irgendwann, wenn man selbst 15 Jahre lang Profi war und viel herumgereist ist, will man auch sesshaft werden. Das sind wir in Hamburg. Und es war schon das Bestreben: Wenn ich nochmal einen Regionalligisten übernehme, dann muss es einer aus der Nord-Staffel sein. Es gab die eine oder andere Anfrage aus der Regionalliga Nordost, aber ich wollte einfach wieder im schönen Hamburg sein.“

Und was hat den FC Teutonia 05 für dich zu einer reizvollen und spannenden Aufgabe gemacht?

Auch Nick Brisevac (li.) bringt jede Menge höherklassige Erfahrung und Qualität mit. Foto: KBS-Picture.de

Hollerieth: „Teutonia ist ein sehr interessanter Verein. Einer, der im ‚Background‘ sehr gut aufgestellt ist und Ambitionen hat. Wir sind Aufsteiger und das Ziel ist ganz klar, nicht wieder abzusteigen. Aber man hat das Gefühl, wenn die Infrastruktur noch ein bisschen wächst, dass man dann einen etablierten Regionalligisten formen kann. Aber das ist alles Zukunftsmusik und interessiert mich momentan auch noch gar nicht. Denn als Trainer weißt du nie, was in ein oder zwei Jahren ist. Aber es ist ein interessanter Verein – und in Hamburg gibt es für mich nicht viele Vereine, die interessant sind. Die Oberliga kam beispielsweise gar nicht in Frage, weil da für mich der sportliche Wert ein bisschen fehlt, weil quasi eh keiner aufsteigen möchte. Und um die ‚Goldene Ananas‘ zu spielen – dafür bin ich der Falsche! Teutonia ist ein interessantes Projekt. Man hat sich zusammengesetzt – und es hat super gepasst. Auch von der Örtlichkeit her.“

Dein neuer Co-Trainer Jan-Philipp Rose sprach vor der Saison im „Abendblatt“ darüber, dass über kurz oder lang sogar die Dritte Liga angepeilt wird. Mit welcher Zielsetzung hast du das „Projekt“ angetreten – und inwieweit hat sich die Zielsetzung geändert?

Hollerieth: „Meine Zielsetzung hat sich gar nicht verändert. Ich möchte mit der Mannschaft zusammen nichts mit dem Abstieg zu tun haben – das ist das primäre Ziel. Und zu allen weiteren sportlichen Zielen gehört eben auch das Infrastrukturelle dazu. Und es heißt ja auch so schön, dass man irgendwann in Steine statt in Beine investieren muss.“

Ist denn die Meisterrunde mit der Truppe trotzdem möglich? In Drochtersen muss man mit einer neuformierten Mannschaft ja auch erstmal gewinnen…

Da geht's lang! Achim Hollerieth (re.) gibt seiner nahezu runderneuerten Mannschaft taktische Anweisungen. Foto: KBS-Picture.de

Hollerieth: „Da muss ich noch ein bisschen die Entwicklung abwarten. Wenn man auf die Testspiele guckt, dann sieht man, dass wir gegen Aufsteiger wie Hildesheim oder Atlas Delmenhorst verloren haben. Aber ich habe auch schon gemerkt: Immer dann, wenn es drauf ankommt – wie im Pokal gegen Norderstedt, wo Nuancen entschieden haben und am Ende die abgeklärtere und routiniertere Mannschaft zu dem Zeitpunkt gewonnen hat –, können sich die Jungs zu 100 Prozent fokussieren. Und da müssen wir hinkommen, dass das in jedem Spiel der Fall ist. Das Ziel bleibt, dass wir als Aufsteiger nichts mit dem Abstieg zu tun haben. Und trotzdem gehen wir in jedes Spiel, egal gegen wen, um es zu gewinnen. Wir haben die anderen Gegner auch schon beobachtet – und mein Eindruck ist, dass in dieser Liga jeder jeden schlagen kann. Es ist eine blöde Phrase: Aber man muss jedes Spiel spielen. Und wenn man 100-prozentig fokussiert und konzentriert ist, auch Freude und die nötige Galligkeit hat, Fußball zu spielen, weil das immer dazu gehört, da Fußball – bei allem Druck und was auch immer – ein Spiel ist, das Spaß machen muss, und das möchte ich einfach von meinen Jungs sehen, dann können wir das auch schaffen. Mit elf Kumpels Fußball zu spielen und dann mit der ganzen Mannschaft zu feiern – das macht den Fußball aus.“

Du hast das schnelllebige Trainergeschäft schon angesprochen. Inwieweit ist Teutonia für dich dennoch eine Aufgabe, bei der du dir vorstellen kannst, langfristig etwas aufzubauen?

Jeffery Volkmer (li.) kam aus Oldenburg an die "Kreuze" und hat laut "transfermarkt.de" einen Marktwert von 100.000 Euro. Foto: KBS-Picture.de

Hollerieth: „Das Ziel hat doch jeder Trainer, wenn man irgendwo hinkommt, etwas aufzubauen. Gerade wenn man jetzt sieht, dass es ermöglicht wurde, so viele neue Spieler zu verpflichten – auch so viele richtig gute Spieler. Da hofft man dann natürlich schon, eine gute Saison zu spielen, sich in der Regionalliga zu etablieren, diesen Kader zusammenzuhalten und dann nur noch punktuell zu verstärken, um etwas zu entwickeln. Aber je höher man kommt, desto weniger Zeit hat man, etwas zu entwickeln. Da zählen leider nur die nackten Ergebnisse. Und so gut kenne ich die Verantwortlichen auch noch nicht, ob sie die Geduld und die Zeit haben, wenn auch mal Rückschläge kommen. Das wird alles wachsen. Und man darf nicht vergessen: Der Verein spielt zum ersten Mal in der Regionalliga.“

Wie erklärst oder beurteilst du das Image, das dem Verein anhaftet – oder anders gefragt: Warum wird der Verein von vielen so kritisch gesehen?

Hollerieth: „Das ist meine persönliche Meinung: Für mich ist das der pure Neid! Ich bin jetzt auch noch nicht so lange hier, aber man denkt, der Verein hat einen potenten Sponsor hintendran – und dann wird es leider oft nur darauf beschränkt. Aber das hat in meinen Augen auf dem sportlichen Niveau nahezu jeder Verein. Mir kommt es manchmal so rüber, dass da ein gewisser Neid vorhanden ist. Deshalb wird es oft zu kritisch gesehen und das Sportliche nicht ausreichend gewürdigt. RB Leipzig wird auch nur auf das Sponsoring reduziert. Wenn man sich da aber mal mit der ganzen Materie beschäftigt und hinter die Kulissen guckt mit der Akademie und so weiter, dann würde man sich das nicht so einfach machen. In den paar Wochen, die ich jetzt da bin, habe ich den Eindruck, dass jeder denkt, wir bekommen jeden Spieler. Aber das ist nicht so. Wir haben auch Absagen kassiert von Spielern, die wir gerne gehabt hätten. Und das ist dann so und gilt es, zu akzeptieren.“

Kommen wir abschließend noch einmal zum sportlichen Aspekt: Warum werdet ihr auch am kommenden Sonntag im ersten Heimspiel gegen Phönix Lübeck den Platz als Sieger verlassen?

Kapitän der Ottensener ist Dino Fazlic (Mi.), der bereits in der Schweiz, in Kroatien oder auch in England kickte. Foto: KBS-Picture.de

Hollerieth: „(lacht). Ich weiß nicht, ob wir den Platz als Sieger verlassen werden. Phönix Lübeck ist ein Mit-Aufsteiger, der gegen Altona in letzter Sekunde gewonnen hat. Das heißt: Die kommen auch mit einer breiten Brust. Das wird genau so schwierig werden wie gegen Drochtersen – und wenn wir auch nur ein Prozent nachlassen, wird es nicht reichen! Wenn wir aber wirklich alles abrufen, die Galligkeit haben und wie am letzten Wochenende über 90 Minuten ackern und uns in die Bälle schmeißen, dann werden wir als Sieger vom Platz gehen. Aber es wird ein hartes Stück Arbeit! Denn Phönix Lübeck hat sich auch sehr gut verstärkt, einen guten Stürmer vorne drin – und wie schon gesagt: In der Staffel kann jeder jeden schlagen. Die größte Konstanz während der Saison wird darüber entscheiden, ob der Weg nach oben oder nach unten geht.“

Autor: Dennis Kormanjos